Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
Beinen, blonden Haaren, einer perfekten Nase, die sie nicht dem Können eines Schönheitschirurgen verdankte, vollen Lippen, bei denen nur ein klitzekleines bisschen nachgeholfen worden war, und einem Paar makelloser Brüste, die sie ein Vermögen gekostet hatten. Dazu bogen sich sorgfältig zwei Töne dunkler als ihr Haar gefärbte Augenbrauen über blauen Augen, die man nur als spektakulär bezeichnen konnte. Ja, sie hatte das Aussehen. Und das passende Köpfchen dazu. Nicht zu vergessen den Ehrgeiz, in ihrem Beruf voranzukommen. Sie brauchte nur noch diese eine Geschichte in ihrem Portfolio, die sie alle sprachlos machen würde.
Als sie auf der Suche nach der Adresse, die sie zum Star machen würde, durch ihre E-Mails scrollte, erlaubte sie sich eine kleine Pause und schaltete den Fernseher an, und zwar genau auf dem Sender, für den sie so unglaublich gerne arbeiten würde.
Der Schriftzug
Breaking News
flimmerte rot über den Bildschirm, und Whitney fühlte, wie ihr Puls sich beschleunigte. Immerhin war sie eine Vollblut-Nachrichtenfrau. Worum ging es? Ein Bombenanschlag in Übersee? Ein Urteil in einem aufsehenerregenden Gerichtsprozess? Ein Politiker, der mit einem toten Mädchen oder einem höchst lebendigen Knaben erwischt worden war? Schlechte Nachrichten waren gute Nachrichten für einen Reporter, egal, was die Öffentlichkeit darüber dachte. Als das sorgenerfüllte Gesicht des Sprechers den Bildschirm füllte, fühlte sie, wie sich Wärme in ihrem Körper ausbreitete. Sie lehnte sich in ihrem bequemen Ledersessel zurück und lächelte. Er hatte wieder zugeschlagen.
6. KAPITEL
T aylor wachte früh auf und schaltete den Fernseher ein. Trotz Baldwins Vorhersage, dass Shauna Davidson nicht in der näheren Umgebung gefunden werden würde, war eine großangelegte Suchaktion gestartet worden. Die Frühnachrichten brachten entsprechende Bilder – eine lange Reihe von Männern und Frauen in blauen Cargohosen und T-Shirts, in den Händen lange Stäbe, bewegte sich vorsichtig über ein offenes Feld in der Nähe von Shaunas Apartmentkomplex. Zufrieden, dass die Ermittlungen angemessen fortgeführt wurden, nahm sie eine Dusche, zog ihre Jeans und die Stiefel an, befestigte das Holster samt Pistole am Gürtel und machte sich auf den Weg zur Autopsie von Jessica Porter.
Zwischen mit überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Lastzügen rollte sie über den Highway und nahm wie nebenbei die Schönheit des Tages wahr. Der blaue Himmel verlockte sie, das Fenster ein bisschen zu öffnen, was sofort eine Wolke Dieselabgase in ihr Auto pustete. Sie rümpfte die Nase und schloss das Fenster wieder. Ihre Gedanken gingen zurück zu dem Gespräch, das sie mit Baldwin geführt hatte, bevor sie beide zu Bett gegangen waren. Er war sich sicher gewesen, dass die Beweise in Shauna Davidsons Apartment mit den anderen drei Morden in Verbindung gebracht werden konnten und hatte darauf beharrt, dass der Southern Strangler langsam die Kontrolle über sich verlor. Baldwin hatte eine Art sechsten Sinn, wenn es um seine Fälle ging, eine Fähigkeit, die in seinem Beruf hoch geschätzt und notwendig war. Als Profiler war man beinahe selber ein bisschen so etwas wie ein Krimineller. Er konnte einfach nachvollziehen, was im Kopf eines Mörders vorging, dem er nachjagte. Manchmal machte er Taylor Angst, mit seiner Intensität und starken Fokussierung, aber er erzielte Ergebnisse. Sie hoffte, wenn er Vollzeit an ihrem Fall mitarbeiten würde, gäbe es ein Happy End für Shauna Davidson, aber so richtig glaubte sie nicht daran. Dafür hatte es im Zimmer des Mädchens einfach zu viel Blut gegeben.
Seine kleine Debütantin. Sie schnaubte. Sie hasste es, wenn er sie so nannte, und das wusste er auch. Er mochte es einfach, diese Nadel ab und zu ein wenig in ihr Fleisch zu stechen. Zum Teufel, sie würde alles geben, um diesen Teil ihrer Vergangenheit ungeschehen zu machen. Aber das ging nun mal nicht, egal, wie sehr sie es auch versuchte. Taylor stammte aus einer wohlhabenden Familie und war in der als Forest Hills bekannten, reichen Gegend von Nashville aufgewachsen. Sie hatte allen Luxus, den Mädchen aus gutem Haus genossen, inklusive des Debütantinnenballs, den sie widerwillig besucht hatte, um der feinen Gesellschaft von Nashville vorgestellt zu werden. Das war der Silvesterabend nach ihrem achtzehnten Geburtstag gewesen. Sie überlegte kurz, ob Shauna Davidson auch zu solchen sinnlosen Veranstaltungen eingeladen worden war, schob den Gedanken
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