Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
einen Hinweis darauf geben könnte, warum Whitney so verzweifelt versucht hatte, ihre Schwester zu erreichen. Wenn doch die Putzfrau nur nicht alles so gründlich sauber gemacht hätte. Wenn irgendwo noch Notizen herumgelegen hatten, Zettel oder Ähnliches, so war davon jetzt nichts mehr zu sehen.
“Quinn?”, rief Taylor. “Haben die Officer vom Unfallort Ihnen irgendwelche persönlichen Sachen von Whitney übergeben?”
Quinn kam zurück in die Küche. “Nein. Ich soll ins Leichenschauhaus kommen und sie dort abholen. Sie sagten, es wären ein paar Sachen in ihrem Auto gewesen … Oh nein, das war dumm von mir, nicht wahr? Wir hätten die Sachen abholen sollen, bevor wir ganz hier herausgefahren sind.”
Taylor unterdrückte ein Lachen. Als wenn Bellevue, gerade mal lausige fünf Minuten weiter von der Innenstadt entfernt als Belle Meade, auf der anderen Seite des Universums läge. “Das ist wirklich kein Problem. Wir können jetzt hinfahren, wenn Sie möchten. Ich denke, wir sollten die Sachen durchgehen und sehen, ob irgendetwas davon uns weiterhelfen kann.”
“Ja, gut. Ich kann Ihnen eine Vollmacht mitgeben, und dann können Sie sich die Sachen selber anschauen, wenn das okay ist.”
Taylor betrachtete sie einen Moment. “Das kann ich tun, aber Sie wollen vielleicht dabei sein.” Sie zögerte, dann entschied sie, dass es dumm wäre, nicht zu fragen. “Quinn, Sie denken doch nicht, dass das hier irgendetwas mit Nathan Chase zu tun hat, oder?”
Quinns Gesicht verlor mit einem Schlag alle Farbe. “Ach du lieber Gott, Sie glauben, er ist …? Er hätte irgendwie mit Whitney in Verbindung treten können?”
“Nun, ich weiß es nicht. Hat er jemals versucht, Sie oder Ihre Schwester zu erreichen?”
Quinn begann auf und ab zu gehen, eine blasse, manikürte Hand an die Kehle gepresst. Sie sah aus, als wenn sie jede Sekunde in Millionen Stücke zerbrechen könnte.
“Nein, wir hatten keinen Kontakt mit ihm. Das war Bestandteil des Urteils. Und er ist immer noch im Gefängnis. Ich weiß das, weil ich mich in unregelmäßigen Abständen erkundige, um sicherzugehen, dass er nicht entlassen worden ist. Er muss noch mindestens weitere fünfzehn Jahre absitzen.”
Das verdaute Taylor einen Moment. Eine Entführung war das eine, aber Chase war zu mindestens dreißig Jahren verurteilt worden. Sie machte sich eine gedankliche Notiz, den Fall noch einmal nachzuschlagen, um herauszufinden, für was genau er verurteilt worden war. Vielleicht hatte es mit diesem Fall hier nichts zu tun, aber es konnte nicht schaden, die ganze Geschichte zu kennen.
“Okay, Quinn. Ich fahr dann mal und kümmere mich um Whitneys Sachen aus dem Auto. Wenn ich irgendetwas Interessantes finde, lasse ich es Sie wissen.”
“Ich danke Ihnen. Wissen Sie schon, wann der Leichnam freigegeben wird? Ich muss anfangen, Vorbereitungen für das Begräbnis zu treffen.”
“Rufen Sie einfach das Büro des Gerichtsmediziners an. Sie werden Ihnen alle Informationen geben können. Es wird nicht mehr lange dauern, das kann ich versprechen.”
Sie waren schon auf dem Weg zur Haustür und hörten so den elektronischen Gong nicht, der verkündete, dass auf Whitneys Computer eine weitere E-Mail eingegangen war.
30. KAPITEL
C hristina Louise Dale, von Familie und Freunden Christy genannt, war ein trauriger Fall. Neunzehn Jahre alt, klein und brünett, hetzte Christy sich immer ab und versuchte, alles auf die Reihe zu bekommen. Sie hatte weder das Geld, um aufs College zu geben, noch die guten Noten, um ein Stipendium zu ergattern. Also arbeitete sie hart und verbrachte ihre Zeit so oft wie möglich mit den Collegestudenten in Roanoke. Sie war Autodidaktin, und wenn sie das erwähnte, wussten die meisten Studenten gar nicht, was das bedeutete. Auf der einen Seite fand sie es unfassbar, dass sie so viel klüger war als die anderen und trotzdem keine Chance bekam, die gleichen Schulen zu besuchen. Auf der anderen Seite freute sie sich still und heimlich darüber, dass sie, egal wie, besser war als alle anderen.
Sie bildete sich stetig weiter und las in ihrer Freizeit alles, was sie in die Finger bekam. Sie fand einen Job, der ihr die Möglichkeiten bot, die ihr in ihrem bisherigen kurzen Leben zunächst verwehrt worden waren. Die Mutterfirma des kleinen kommunalen Krankenhauses hatte ein Programm, das Stipendien an diejenigen ihrer Mitarbeiter vergab, die den Willen und das Engagement zeigten, sich weiterzubilden. Allerdings bezog sich dieses
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