Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
das Beste, was sie jetzt tun konnte, wäre, ins Büro zu fahren. Sie fasste ihre immer noch nassen Haare in einem Pferdeschwanz zusammen, schnappte sich eine Cola light und die Schlüssel.
Sie hatte die Türklinke schon in der Hand, um das Haus zu verlassen, da klingelte das Telefon. Sie stellte ihre Sachen ab und ging ran. Baldwins Stimme drang durch die Leitung, als wäre er im Zimmer nebenan, und sie fühlte plötzlich eine überwältigende Einsamkeit. Dummes Ding, schalt sie sich, er ist doch bald wieder zu Hause.
“Hi, Honey. Alles okay in North Carolina?”
“Na ja, heute Morgen ist niemand vermisst gemeldet worden, also scheinen wir Fortschritte zu machen. Ich kann in diesem Fall keine Vorhersagen treffen, Taylor, und das macht mich wahnsinnig.”
“Dann setz dich hin und schreib mir ein Liebesgedicht”, zog sie ihn auf. “Das sollte deine Gedanken ablenken und auf eine genauso wichtige Spur bringen: die Spur, die zu mir führt.”
Die Antwort war Schweigen. Taylor war nicht wirklich verletzt, aber sie fühlte einen kleinen Stich. Normalerweise erwiderte Baldwin ihre Neckereien immer sofort. Aber bevor sie etwas sagen konnte, sprach er.
“Wie bist du auf diese Idee gekommen?”
“Tut mir leid, Honey, ich hab nur ein wenig gescherzt. Das geht mir durch den Kopf, seitdem ich die Gedichte bei Whitney Connolly gesehen habe. Sie hatte einen Freund oder Verehrer, der ihr per E-Mail Liebesgedichte geschickt hat. Ich habe ein paar davon gelesen, als ich ihre Sachen durchgesehen habe.”
Taylor konnte die Eindringlichkeit, die Baldwin ausstrahlte, sogar durch das Telefon fühlen. “Taylor, erinnerst du dich daran, was für Gedichte es waren? Irgendeine Besonderheit?”
“Nein, ich habe nicht wirklich drauf geachtet. Warum, Baldwin, was ist los?”
“Wir haben es noch nicht an die Presse weitergegeben, also musst du darüber absolutes Stillschweigen bewahren. Der Mörder hinterlässt Gedichte bei den Opfern. Liebesgedichte. Klassiker von Wordsworth, Coleridge, Yeats. Du musst mir die Gedichte von Whitneys Computer besorgen.”
“Er hinterlässt die an den Tatorten? Ich kann mich an nichts in der Art in Shauna Davidsons Apartment erinnern.”
“Einer von Grimes’ Männern hat es in der Schreibtischschublade gefunden. Sie sind total unverfänglich, und wenn man nicht weiß, wonach man suchen muss, kann man sie leicht übersehen.”
“Jesus, Baldwin, wenn du mir davon erzählt hättest, hätte ich dir all das schon gestern sagen können. Mir ist es nicht mal aufgefallen. Ich habe nur ein paar von ihnen überflogen. Mist.”
In Taylors Kopf drehte sich alles. Sie liebte es, diesen Adrenalinrausch, der den großen Durchbruch begleitete. Langsam fingen die Dinge an, einen Sinn zu ergeben. Die Nachrichten … klar.
“Baldwin, Whitney hat am Tag ihres Todes verzweifelt versucht, ihre Schwester zu erreichen, erinnerst du dich? Ich habe die Memofunktion ihres Handys überprüft, wie du gestern vorgeschlagen hast. Da gab es eine Aufzeichnung, dass sie mit Quinn über die Nachrichten sprechen müsse. Wir dachten, dass es sich um etwas Unwichtiges handelt, wie Grußkarten oder so. Vielleicht lagen wir damit falsch. Was meinst du?”
“Ich will keine übereilten Schlüsse ziehen, aber ich brauche die Gedichte, damit ich sie mit denen vergleichen kann, die wir an den Tatorten gefunden haben. Vielleicht ist der Mörder ein Fan von Whitney Connolly, wer weiß? Kommst du an den Computer ran?”
“Ja, lass mich eben Quinn Buckley anrufen und mir die Erlaubnis holen, noch einmal in Whitneys Haus gehen zu dürfen. Ich rufe dich an, wenn ich den Computer vor mir habe.”
Baldwin schaltete die Nachrichten an, versuchte, einen Eindruck zu bekommen, wie ihre Arbeit in der Öffentlichkeit aufgenommen wurde. Der Southern Strangler war das Leitthema. Die sensationsheischende Ausführung der Morde, die Tatsache, dass alle Opfer irgendetwas mit Medizin zu tun hatten, die Geschwindigkeit, mit der der Mörder vorging. Jeder war ratlos, alle suchten verzweifelt nach Antworten. Waffenverkäufe stiegen sprunghaft an, und Schlosser machten entlang des südöstlichen Korridors das Geschäft ihres Lebens. Großartig, nichts vereinfachte die Ermittlungen so sehr, wie die Angst in der Bevölkerung zu schüren. Und woher bekamen die Medien überhaupt all diese Informationen? Nur ein paar Auserwählte wussten von dem medizinischen Bezug; das Leck musste sich also sehr weit oben in der Nahrungskette befinden. Damit würde er
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