Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
ihren Blick; sie konnte nichts Genaues erkennen. Vorsichtig presste sie ein Ohr gegen die Tür und lauschte. Nichts. Schließlich legte sie eine Hand auf den Türknauf und drückte entgegen aller Hoffnung. Sie hatte die verschiedenen Schlösser gehört, als der adrett gekleidete Mann gegangen war. Aber es war einen Versuch wert.
Verschlossen. Wie schon gedacht.
Sie ging an der Längsseite des Raumes entlang. Mit jedem Schritt nahmen die Schmerzen in ihren Beinen und ihrem Rücken ab. Auf der anderen Seite des höhlenartigen Raums gab es eine Reihe schmutziger Fenster. Sie ging hinüber und versuchte hinauszusehen, aber die Scheiben waren so dreckig, dass sie nur schemenhaft etwas wie einen Fluss erkennen konnte. In ihrer Unterwäsche joggte sie auf der Stelle, ein fruchtloser Versuch, sich beim Überlegen etwas aufzuwärmen.
Das hier fühlte sich definitiv nicht wie Nashville an.
Taylor wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war, aber die Nachwirkungen des Chloroforms von vorhin oder gestern ließen sie befürchten, dass es länger war, als sie dachte. Ihr war immer noch ein bisschen schwindelig und übel. Die Bewegung half, ihre Reflexe zu schärfen und ihren Magen zu beruhigen.
Sie beschloss, sich nach einer Waffe umzusehen; irgendetwas, das sie gegen die Wache einsetzen konnte, wenn er sich das nächste Mal zu ihr begab. Und vielleicht, nur vielleicht, könnte sie damit ein Fenster einschlagen. Im lockeren Trab lief sie durch den Raum, ihre Füße wurden immer brauner und schmutziger. Die Halle wurde offensichtlich selten benutzt. Sie war vollkommen leer. Es gab nichts, was sie gegen ihre Entführer oder für einen Ausbruch verwenden konnte. Nun ja, da war der Stuhl, aber sie hatte das sichere Gefühl, dass die Wache beim Geräusch von splitterndem Holz sofort zur Stelle wäre.
Langsam wurde ihr wärmer, und sie ging noch einmal zur Tür und lauschte. Da war ein Geräusch – eine männliche Stimme. Er sang, und der Gesang kam immer näher.
Sie wusste, dass sie nur einen Versuch hatte.
Lautlos rannte sie zurück zum Stuhl, stellte ihn auf seinen Platz und setzte sich hin. Die Arme streckte sie hinter sich und tat so, als wäre sie noch gefesselt. Die Schlösser klickten, und die Tür öffnete sich. Ein neuer Mann trat ein, er war viel kleiner als die vorherige Wache. Gegen ihn hätte sie eine Chance.
Er trug ein dümmliches Lächeln im Gesicht, als hätte er ein Geheimnis, das sie nicht kannte. In der Hand hatte er ein Tablett, Taylor konnte die verführerische Fracht riechen. Das Aroma stieg ihr in die Nase: Fajitas. Sie roch gebratene Zwiebeln und grüne Paprika. Die Gedanken, die der Geruch in ihr hervorrief, waren vollkommen fehl am Platz. Sie dachte an gute Zeiten, an Margaritas an lauen Sommerabenden auf der Terrasse ihrer Lieblingsbar in Nashville. Das Heimweh war überwältigend. Sie schob es beiseite. Zumindest hatten sie die Güte, ihr etwas zu essen zu geben, was bedeutete, dass man nicht vorhatte, sie sofort umzubringen.
Allerdings würde sie nicht lange genug hierbleiben, um diese Aufmerksamkeit entsprechend würdigen zu können.
„Ich muss mal den Waschraum aufsuchen.“ Taylor versuchte, arrogant und zugleich ängstlich zu klingen. Das Grinsen auf dem Gesicht des Mannes wurde breiter. Noch funktionierte ihr Trick.
„Ich heiße Dusty“, sagte er.
„Toll. Hi. Im Ernst, ich muss mal auf die Toilette.“ Taylor spuckte ihm die Wörter förmlich vor die Füße, aber er verstand es als Neckerei und grinste noch breiter. Idiot.
„Liest du gerne?“
Oh, wow. Dieser Typ war nicht ganz richtig im Kopf. Er lächelte, arrangierte das Tablett mit dem Essen und schien Taylors Wunsch überhaupt nicht wahrzunehmen. Sie ließ ihn näher kommen.
„Ja, ich lese gerne.“
„Magst du Berühren?“
Jesus, was für Freaks waren diese Jungs denn? Der Große hatte sie angestarrt, als wäre sie ein saftiges Steak, aber dieser hier, mit seiner leidenschaftslosen Stimme, die seinen Mut Lügen strafte … Taylor bezweifelte, dass er ihr etwas antun würde.
„Mag ich was berühren?“
„Du weißt schon.“ Er wurde rot. Taylor atmete tief ein, als er näher kam.
Entweder musste er sie füttern oder sie losbinden, damit sie selber essen konnte. Egal wie, sie würde die Gelegenheit bekommen, die sie brauchte. Dazu noch ein bisschen Glück, und die Sache könnte was werden.
Er stellte das Tablett auf den Boden. „Ich binde dich jetzt los, damit du essen kannst. Wir können reden. Mach nichts
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