Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
konzentrieren.
34. KAPITEL
Irgendwo
Montag, 22. Dezember
13:00 Uhr
Zwei Männer saßen an einem Tisch in einem ruhigen kleinen Restaurant. Einer war durch die Vordertür, der andere durch den Hintereingang gekommen. Seit Jahren hatten sie sich nicht mehr persönlich getroffen.
Einer war in vielen Kreisen bekannt. Seine Angestellten nannten ihn L’Uomo, den Mann. Grauhaarig, kultiviert, gepflegt, entsprach er ganz dem Bild des erfolgreichen Geschäftsmanns.
Der andere Gentleman hatte ein Gesicht, das überall schnell wiedererkannt würde, weshalb er nur noch selten irgendwohin ging. Aber L’Uomo hatte ihn gerufen. Ihm gedroht, um genau zu sein, dass er ein Kopfgeld auf ihn aussetzen würde, wenn er nicht persönlich erschiene. Nach dem Debakel Anfang des Jahres hatte er keine Wahl. Entweder tauchte er auf, oder er würde gejagt und getötet werden.
Und er war bereits einmal gestorben.
Sie saßen einander gegenüber. Der gepflegte Mann tupfte sich zwischen den Bissen die Lippen mit einer gestärkten Leinenserviette ab. Seine Lippen waren feucht von auserlesenem Rotwein, seinem Alltagswein, ein 1985er Châteauneuf-du-Pape. Er aß mit Appetit, aber gesittet und genoss jeden einzelnen Happen.
Sein Gast aß weder, noch trank er etwas. Angst drängte sich in seinem Magen zusammen und machte jegliche Nahrungsaufnahme unmöglich. Also beobachtete er, stocherte in seinem Salade Niçoise herum und fragte sich, wieso er überhaupt etwas bestellt hatte. Französisch war nicht seine bevorzugte Küche, aber bei der Wahl des Restaurants hatte er kein Mitspracherecht gehabt. Es war dumm genug von ihnen, sich gemeinsam sehen zu lassen.
L’Uomo genoss sein Mahl sichtlich; er gönnte sich drei Gänge und beendete das Essen mit einer kleinen Käseplatte. Nachdem er sich die Lippen ein letztes Mal abgetupft hatte, gab er als Ausdruck seiner kulinarischen Wertschätzung einen kleinen Rülpser von sich, bevor er seinem Begleiter in die Augen sah.
„So. Lazarus ist endlich von den Toten auferstanden. Ich habe mich schon gefragt, wann du wieder auftauchst. Du bist wie ein schlechter Penny. Man kann nie sicher sein, wann man dich wiedersieht.“
„Das ist nicht fair“, protestierte er. „Du warst der Grund dafür, dass ich verschwinden musste. Und einen Auftragskiller auf mich anzusetzen war sehr unhöflich, findest du nicht?“
L’Uomo winkte mit einer genervten Handbewegung ab. „Ja, ja, ich bin die Quelle all deines Übels. Der Auftrag war notwendig. Immerhin sitzt du jetzt hier bei mir, oder etwa nicht? Das ist rein geschäftlich, das weißt du. Es hat eine Entwicklung gegeben. Wir müssen mit jemandem ernsthaft reden. Wenn du dieses Problem für mich löst, werde ich dir deine Schuld erlassen. Dann kannst du wieder untertauchen und hast meine Zusage, dass du nicht länger von meinen Leuten gejagt wirst.“
Ein nettes Angebot, durchaus wert, ernsthaft darüber nachzudenken. Aber natürlich war bei L’Uomo niemals etwas so einfach. „Mit wem?“
„Das wirst du noch früh genug sehen. Bist du fertig?“ L’Uomo warf einen spöttischen Blick auf den jämmerlich vollen Teller. Schwächlinge konnten von ihm keine Nachsicht erwarten. „Kein Appetit?“
„Nein, ich schätze nicht. Fahren wir dann? Ich fühle mich hier nicht wohl. Am besten bringen wir die Sache schnell hinter uns.“
„Fein. Ich habe ein kleines Geschenk für dich. Vielleicht verstehst du dann den Ernst der Situation. Der Fahrer wird dich in dreißig Minuten abholen. Versuch noch etwas zu essen.“
L’Uomo stand auf und verließ das Lokal. Auf dem Weg zur Tür lächelte er dem Gastwirt wohlwollend zu.
Sein Begleiter stieß nur ein einziges Wort aus, nachdem die Tür hinter ihm zugefallen war.
„Bastard.“
35. KAPITEL
Irgendwo
Montag, 22. Dezember
13:30 Uhr
Taylor rutschte unruhig auf dem Holzstuhl hin und her. Ihre Handgelenke waren fest an die hinteren Stuhlbeine gebunden worden, wodurch sie den Rücken und ihre Schultern überstrecken musste. Sie konnte allerdings ihre Handgelenke nach oben in Richtung Decke beugen – ein Fehler ihres Entführers. Mit ihren langen, geschickten Fingern machte sie sich an den Knoten zu schaffen.
Sie wünschte sich gerade eine Decke – in dem Raum war es eisig kalt, und man hatte sie bis auf ihre Unterwäsche ausgezogen –, als sie bemerkte, dass sie nicht mehr alleine war. Ihre Finger rührten sich nicht mehr; sie schloss die Augen und tat, als würde sie schlafen. Ein Duft stieg ihr in die Nase
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