Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
nach rechts zu gehen, dann trat sie zwei Schritte näher an das Schwesternzimmer heran. Ihre Urinstinkte setzten ein; sie roch das Blut, bevor sie es sah. Als sie ihren Kopf über den Tresen schob, sah sie einen zusammengesackten Menschen. Eine Schwester mit grauen Haaren und blauer Uniform. Die Frau lag auf dem Rücken, als wäre sie auf den Fußboden gerutscht und hätte ihren Angreifer angefleht, bevor er ihr in die Stirn schoss. Der Schuss war nicht ganz mittig und hatte eine schlimme Wunde geschlagen, die die arme Frau sicher auf der Stelle getötet hatte.
Sie zog ihren Kopf zurück. Die Wand des Schwesternzimmers schützte sie vor möglichen weiteren Schüssen. Was zum Teufel war hier los? Sie riskierte einen weiteren Blick, als müsste sie sich versichern, dass die Schusswunde wirklich echt war.
Baldwin hockte blass neben ihr. Seine Waffe lag ruhig in der Hand, der Lauf zeigte in Richtung des leeren Flurs. Sie mussten vorsichtig zu Werke gehen.
Taylor bemerkte jetzt, dass es gar nicht mehr so ruhig war. Klingeln ertönten, Menschen riefen. In dem Bruchteil einer Sekunde, die sie benötigt hatten, um sich einen Überblick zu verschaffen, war das Chaos ausgebrochen.
Eine zufallende Tür ließ Taylor kurz zusammenzucken. Urplötzlich setzte sie sich wieder in Bewegung, rannte den Flur entlang in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, Baldwin dicht auf den Fersen. Sie lief an einer Gruppe rufender und mit den Fingern zeigender Menschen vorbei direkt auf das Treppenhaus zu. Hinter sich hörte sie Baldwin, der rief: „Sie ist weg, sie ist weg“, kam in der Sekunde an der Tür zum Treppenhaus an und drückte sie im Laufen mit der offenen Hand auf.
Sie nahm die vor ihr davonlaufende Gestalt ins Visier.
„Halt, Polizei. Bleiben Sie stehen!“, rief sie. Die Gestalt hielt auch für den Bruchteil einer Sekunde an, aber gerade nur lange genug, um ihr einen Blick zuzuwerfen, bevor sie durch die Tür im zweiten Stock verschwand.
„Mist!“, brüllte Taylor. Sie schwang ein Bein über das Treppengeländer und ließ sich eine Etage tiefer fallen. Ihre Stiefel trafen mit einem Knall auf dem Boden auf, und beinahe hätte sie ihre Balance verloren. Dann vollführte sie das gleiche Manöver noch einmal und stürzte durch die Tür, durch die der Fliehende eben abgehauen war.
Der Schütze hatte gut gewählt. Im zweiten Stock befand sich die Chirurgie, und dieser spezielle Eingang führte in die Bereiche Radiografie und Endoskopie. Hier war niemand, es war völlig still – aber dieses Mal war die Stille echt. Taylor lauschte, strengte sich an, irgendetwas zu hören, Schritte, Türenschlagen, aber nichts. Entweder hatte sie es mit einem verdammt schnellen Arschloch zu tun, oder er hatte sich in einem der Räume versteckt.
Ohne Verstärkung würde sie keine Suchaktion starten, schließlich war sie nicht dumm. Sie trat einen Schritt zurück an die Wand und zog ihr Handy gerade in dem Moment aus der Tasche, als Baldwin auf der anderen Seite der Tür auftauchte. Durch das Fenster in der Tür konnte sie seine wilden Augen sehen. Sie öffnete die Tür und schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, in welche Richtung er abgehauen ist. Ich wollte dich gerade anrufen.“ Sie sprach sehr leise. Baldwin beugte sich vor, um sie zu verstehen.
Er flüsterte zurück: „Ich habe Verstärkung gerufen. Die Sache gefällt mir kein bisschen. In ihrem Zimmer liegt ein Arzt, der einen heftigen Schlag auf den Kopf abbekommen hat. Er ist bewusstlos, aber am Leben. Fitz und Marcus sind mit massiver Unterstützung auf dem Weg zu uns. Sie werden die Eingänge bewachen. Lass es uns langsam angehen. Wir fangen mit diesem kleinen Gang hier zur Linken an.“
„Meinst du, dass es der Mann ist, für den sie gearbeitet hat? So wie sie es erzählt hat, ist sie für ihren Boss sehr wichtig. Was zum Teufel ist hier nur los?“
Er zuckte mit den Schultern. „Entweder ist sie wertvoll, weil sie ein Profi ist und er mit ihr viel Geld verdient, oder sie weiß einfach zu viel.“
„Ja, kann sein. Du gehst links, ich rechts. Ich glaube allerdings nicht, dass er noch hier ist. Ich war nicht schnell genug.“
In diesem Moment fiel ihr erst auf, wie sehr ihr Knöchel schmerzte. Sie musste ihn sich beim Aufprall verdreht haben. Superwoman war sie wohl doch noch nicht.
„Okay. Geh langsam und sei vorsichtig.“
Sie trennten sich und gingen in entgegengesetzte Richtungen los. Lange brauchten sie nicht.
Baldwin stieß einen langen, tiefen Pfiff
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