Taylor Jackson 03 - Judasmord
gesellschaftlichen Pflicht nachkamen.
So wie an diesem Vorfrühlingsabend. Die feine Gesellschaft von Nashville war wie immer erfreut zu sehen, dass Taylor und Sam wenigstens für einen Abend ihre Rollen spielten und nicht allzu viel Unruhe verursachten. Das Thema des Abends war natürlich der Mord an Corinne Wolff. Die Wolffs waren keine ganz Unbekannten, auch wenn sie nicht auf die besten Feste eingeladen wurden. Corinne war in den Country Clubs der Gegend zu Hause. Neues Geld, hörte Taylor eine der Botox-Frauen durch aufgespritzte Lippen flüstern. Die ultimative Sünde.
Die vorherrschende Meinung war, dass ein Drogenabhängiger ins Haus eingebrochen war und Geld für seinen nächsten Schuss geklaut hatte. Taylor hatte nicht das Herz, ihnen zu sagen, dass die meisten Fixer im Inneren gute Seelen waren, die eher jemandem die Handtasche klauten, als ihn zu Tode zu prügeln. Sollten sie doch ihre eigenen Ängste haben.
Die örtliche Presse war auch vor Ort. Taylor und Sam posierten für unzählige Fotos. Taylor wusste, dass man sie deswegen morgen bei der Arbeit aufziehen würde, aber es war ihr egal. Sie hatte eine nette Unterhaltung mit Amy Hendricks, einer Reporterin des Tennessean und ehemaligen Mitschülerin an der Father Ryan. Alles in allem war es eine typische Nashviller Cocktailparty: angenehm mit Hang zum Einschläfernden.
Nach einer halben Stunde kam die Vorsitzende der Veranstaltung, Linda Whaley, und schnappte sich Sam. Taylor wanderte ein wenig herum, doch sie blieb nicht lang allein. Innerhalb weniger Minuten hatten drei verschiedene Männer sie gefragt, ob sie ihr einen Drink spendieren könnten. Auch wenn sie freundlich und angemessenflirtend reagierte, fing sie doch an, das Champagnerglas als kleinen Hinweis mit der linken Hand an den Mund zu führen. Doch der Ring schreckte niemanden wirklich ab. Einige der Herren trugen sogar selbst Eheringe. Idioten.
Sie schaute auf ihre Uhr. Das Essen müsste jede Minute beginnen. Wie auf Kommando hörte sie ein leises Klingeln. Die Dinnerglocke. Mit einem Schluck leerte sie ihr Glas und reichte es einem vorbeikommenden Kellner. Dann machte sie sich auf den Weg zu ihrem Platz. Linda hatte gesagt, sie würde vorne am ersten Tisch bei Sam sitzen. Großartig. Mitten im Zentrum der Aufmerksamkeit. Genau das, was sie wollte.
Ein Gentleman im Abendanzug, dessen weiße Krawatte sich strahlend von den schwarz glänzenden Aufschlägen seines Jacketts abhob, hielt ihr die Tür zum Speisesaal auf. Sie nickte ihm dankend zu und betrat den Raum. Sie blieb kurz stehen, um sich zu orientieren, da sprach eine leise Stimme ihr ins Ohr. Sie zuckte zusammen und öffnete mit einer Bewegung ihrer Finger den Verschluss ihrer Tasche. Meine Güte, wussten die Leute denn nicht, dass man einen Polizisten niemals so erschrecken sollte?
„Hey, Tawny.“
Sie drehte sich um und schaute den Sprecher an. Ein untersetzter Mann Ende vierzig, leicht graue Schläfen, hängende Wangen, die Knöpfe seines Hemdes so gespannt, als wäre es einmal zu oft in der Reinigung gewesen oder er ein paar Mal zu viel zum Buffet gegangen. Er schaute sie mit einem widerlich gierigen Blick an. Sie hatte keine Ahnung, wer er war.
„Entschuldigung? Kennen wir uns?“
Der Mann warf einen Blick über seine Schulter und lehnte sich dann verschwörerisch vor. „Tawny, Tawny, Tawny. Mein Gott, ich hätte nie gedacht, dass ich dich mal in Fleisch und Blut sehen würde. Und nun bist du hier, ein Engel in Rot. Oder vielmehr ein Teufel, wie ich meine. Was hältst du davon, wenn du und ich hier verschwinden und unsere eigene kleine private Feier abhalten?“
Taylor bemühte sich, nicht über diese ungeheuerliche Anmache zu lachen. „Es tut mir leid, ich habe keine Ahnung, wer Sie sind.“ Sie wandte sich zum Gehen, doch er griff ihren Arm und zog sie zu sich zurück. Er drückte seinen Körper auf viel zu intime Weise in sie.
„Hey, Girlie. Ich rede mit dir.“
Keine gute Idee. Taylor behielt einen ruhigen, leisen Ton bei. „Lassen. Sie. Mich. Los. Sofort. Oder ich werde Ihnen den Arm brechen.“
Er ließ sie los, und sie wirbelte davon. Er folgte ihr auf den Fersen.
„Was glaubst du eigentlich, wohin du gehst, Tussi?“, zischte er ihr zu.
Anstatt einer Antwort blieb Taylor stehen, öffnete wie nebenbei ihre Handtasche und zeigte ihm die Pistole. Der Mann lächelte. Seine unteren Zähne sahen aus wie kleine Zapfen und waren ganz braun verfärbt. Sie unterdrückte einen Schauer.
„Oh-oh, sind wir
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