Taylor Jackson 05 - Symbole des Bösen
ihre Autorität war ungebrochen.
„Ember. Wie bist du in die Stadt gekommen, wenn Thorn dich nicht mitgenommen hat?“
„Ich bin mit dem Bus gefahren. Es waren so viele Leute unterwegs, da bin ich gar nicht aufgefallen.“
„Wo sind deine Eltern jetzt?“
„Ich weiß es nicht. Ich bin weg, als sie weggefahren sind.“
„Wir müssen dich nach Hause bringen. Sie werden merken, dass du weg bist, und sich Sorgen machen. Du solltest so lange im Haus bleiben, bis sie schlafen gehen.“
„Für den Fall, dass du es vergessen hast, du hast heute meinen Bruder umgebracht, du Scheißkerl. Ich bezweifle, dass sie viel Schlaf finden werden. Ich habe mein Bett, mein Zimmer entsprechend präpariert. Sie werden nicht nach mir schauen. Das tun sie nie.“
„Du musst wieder nach Hause.“
„Fick dich, Raven. Ich muss gar nichts tun, was du mir befiehlst. Ich will wissen, warum du Xander in deinen Plan eingeschlossen hast.“
Jetzt regte sich die Wut in Raven. Er vergaß den Schmerz in seinem Schritt und stand auf, sodass er Ember überragte. Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie heftig. Der Zorn brodelte in seinem Magen. „Ich habe es dir doch gesagt. Darüber hatte ich keine Kontrolle. Er war einfach da. Er ist derjenige, der sich in den Plan eingemischt hat. Lass mich also damit in Ruhe, ansonsten wird das Konsequenzen haben. Verstehen wir uns?“
Sie antwortete nicht.
„Verstehst du das?“, brüllte er.
Einen Moment lang schwieg Ember, dann entzog sie sich seinem Griff. Er ließ sie gehen. Sie drehte ihm den Rücken zu. Er sah, dass sie tief durchatmete, und spürte, wie sich eine tiefe Ruhe über sie senkte. Gut. Er hatte sie zurück. Die Kontrolle über seinen Coven zu verlieren wäre im Moment das Schlimmste, was geschehen könnte.
Er wandte sich an Fane, suchte im Dämmerlicht ihre Augen. Sie glühten in der Dunkelheit. Ihre Zähne blitzten kurz auf. Er erwiderte das Lächeln, zentrierte sich und wandte sich wieder Ember zu.
„Ember, es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es dich so erschüttern würde. Es war einfach unvermeidbar. Aber jetzt müssen wir los, bevor uns jemand hört.“
Embers Schultern fingen an zu zittern. Sie wirbelte herum und bleckte ihre kleinen scharfen Zähne.
„Ich glaube dir nicht“, zischte sie Raven an. „Ich glaube, du hast Xander nicht aus Versehen ermordet, sondern weil du es wolltest. Hörst du mich, du Freak? Ich denke, du hast es mit Absicht getan. Doch damit werde ich dich nicht durchkommen lassen, Raven. Ich breche mit dir und Fane. Ich breche mit dir. Ich breche mit dir.“
Sie rannte in die Nacht hinaus, ihre Schluchzer folgten ihr wie ein wehender Schleier im Wind.
A BNEHMENDER H ALBMOND
F ÜNFUNDZWANZIG P ROZENT VOM V OLLMOND H ALLOWMAS
(A LLERHEILIGEN )
13. KAPITEL
Quantico, Virginia
1. November
7:00 Uhr
„Hey, Reever, ich bin’s noch mal, Baldwin. Ich warte auf dich. Wo steckst du, Kumpel? Ich will nicht ohne dich in diese Anhörung gehen. Ruf mich an, okay?“
Baldwin legte auf und steckte das Handy in seine Tasche. Er hätte sich einfach selber verteidigen sollen. Er besaß eine Lizenz für Virginia, seitdem er vor drei Jahren die entsprechende Prüfung abgelegt hatte. Er hatte Jura an der George Washington University studiert. Was ihn direkt zum FBI und Garrett Woods geführt hatte. Wenn er nicht Medizinethiker hätte werden wollen, befände er sich jetzt vielleicht nicht in dieser Situation.
Er könnte Taylor anrufen. Sie hätte bestimmt Mitleid mit ihm und würde ihn ein wenig ablenken. Aber sie steckte selber knietief in ihrer eigenen Morduntersuchung. Er beschloss, sie nicht zu stören. Das würde außerdem nur zu viele schlechte Erinnerungen hochholen – allein schon Taylor während dieser Angelegenheit in seinen Gedanken zu haben, besudelte sie.
Wie war es nur dazu gekommen? All die Jahre, die er so hart daran gearbeitet hatte, die Unschuldigen zu beschützen, seinen Kollegen bei den Strafverfolgungsbehörden zu helfen, sich beim FBI einen Namen zu machen, sich von seinem persönlichen Trauma zu erholen … war das alles umsonst gewesen? Würde er heute seine Stellung beim FBI verlieren? Das wäre die reinste Ironie, wenn man bedachte, wie widerstrebend er überhaupt auf eine Vollzeitstelle zurückgekehrt war.
Baldwin tigerte auf und ab und fragte sich, wo zum Teufel sein Anwalt steckte. Er schaute auf die Uhr. Die Anhörung sollte in weniger als fünf Minuten anfangen, und Reever war immer noch nicht aufgetaucht. Er
Weitere Kostenlose Bücher