Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
eine wohlhabende kalifornische Gemeinde, ein Vorort von Los Angeles, aber weit weg von den Hochhäusern der Downtown. Hier wohnen June und Robert Bacon, ein älteres Ehepaar, die ihr ganzes Leben in Kalifornien verbracht haben.
Die Bacons sind besorgt über den Kurs, den Kalifornien und eigentlich das ganze Land eingeschlagen hat. »Die Gewerbesteuern sind viel zu hoch«, sagt Robert Bacon. »Die Industrie wandert ab, es gibt kaum noch Luft- und Raumfahrtunternehmen oder Autobauer. Nissan war die letzte größere Fertigung, und die sind wegen der Steuern nach Tennessee gegangen.« Ein pensionierter Richter, der bei den beiden zu Besuch ist, stimmt zu. »Und mit Brown wird es noch schlimmer«, knurrt er. »Brown wird garantiert die Steuern erhöhen.« Jerry Brown ist der neue, demokratische Gouverneur von Kalifornien, der Arnold Schwarzenegger abgelöst hat. Brown, ein ausgesprochener Linker, war schon mal von 1975 bis 1983 Gouverneur. Er hat Kalifornien nach Reagan saniert, aber das möchten Konservative heute nicht so gerne wahrhaben.
Ich frage vorsichtig, ob Steuern denn nicht notwendig seien für die Infrastruktur. Auf diese Frage hat der Richter gerade noch gewartet. »Wir bräuchten all diese Ausgaben nicht, wenn wir nicht so viele illegale Immigranten hätten!«, sagt er. »Die kosten uns Milliarden an Steuergeldern, für Schulen, für Krankenhäuser und vor allem für Gefängnisse!« Die Bacons nicken. June Bacon hatte für Browns konservative Gegenkandidatin gestimmt, Meg Whitman, die frühere eBay-Chefin, die heute Hewlett Packard leitet. »Die ist wenigstens eine gute Businessfrau.«
Der Richter hingegen macht sich vor allem Sorgen um die Kriminalität, obwohl die heute viel geringer ist als in den Siebzigern. »Als ich noch in Los Angeles gearbeitet habe, konnte man nicht vom Gerichtsgebäude zur U-Bahn laufen, ohne erschossen zu werden. Und das wird unter Brown wieder so werden.« Dann fügt er hinzu: »Aber Schwarzenegger war auch nicht viel besser. Der war ein echter RINO.« Ein heimlicher Demokrat also, ein Republican In Name Only. Und die mögen Tea Partier gar nicht. In New Orleans trat ein von den kalifornischen Republikanern gegründeter RINO Hunters’ Club auf, der Aufkleber verteilte mit der Aufforderung, RINOs zu jagen.
Los Angeles ist, wie viele kalifornische Städte, eine alte spanische Gründung. Als die USA 1848 Kalifornien annektierten, war L.A. eine spanische Mission, umgeben von Hütten, in denen gerade mal ein paar Hundert Mestizen lebten. Sie lag zwischen dem heutigen Chinatown und der Cineasten bekannten Downtown mit der alten Union Station, dem wolkenkratzerartigen Rathaus, den historischen Hotels und dem Haus der ›Los Angeles Times‹, deren frühere Besitzer, die Chandlers, zu den Oligarchen gehörten, die L.A. lange beherrschten. 1876 erreichte die Eisenbahn von Chicago die Stadt, kurz darauf wurde Öl gefunden. Aber erst ab 1913 begann L.A. richtig zu wachsen, als der Ingenieur William Mulholland ein Aquädukt aus dem San Fernando Valley legte, das Wasser in die Wüstenstadt am Meer brachte. Leider trocknete das Valley dadurch aus; eine Geschichte, die der Film ›Chinatown‹ erzählt.
Heute ist Los Angeles ein riesiges städtisches Areal, so groß wie das Kosovo, dessen unzählige Orte und Vororte oft wenig miteinander zu tun haben. Die Downtown, lange No-go-Area, findet langsam wieder zur alten Pracht zurück: mit der Walt-Disney-Konzerthalle, der neuen Cathedral of Our Lady of the Angels und den glitzernden Hochhäusern des Financial District. Nahebei sind Little Tokyo, Little Armenia und Koreatown. Im Osten liegt Pasadena, im Süden Long Beach, der größte Frachthafen der USA, Anaheim mit Disneyland, aber auch Watts und South Central, wo schwarze, salvadorianische und mexikanischeGangs die Straßen beherrschen. Der letzte große Aufstand war hier Anfang der Neunziger, als vier weiße Polizisten den schwarzen LK W-Fahrer Rodney King fast totschlugen. In den tagelangen Krawallen, die folgten, nachdem die Polizisten freigesprochen worden waren, starben 53 Menschen.
Aber der Grund, warum die Tea Party Kalifornien und besonders L.A. nicht mag, liegt im Westen der Stadt. Hier kam 1913, im selben Jahr, als Mulholland das San Fernando Valley austrocknete, ein junger Regisseur an, Cecil B. DeMille. Er sollte im Auftrag der New Yorker Filmmogule Jesse Lasky, dem Gründer von Paramount, und Samuel Goldwyn einen Drehort für den ersten amerikanischen Western suchen:
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