Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
75 Dollar zurück und könne gehen, ohne dass Fragen gestellt würden. Esgeht aber keiner. Um die Wartezeit zu überbrücken, fragt Jenny, wen wir gerne als Präsidenten hätten. Die Sympathien gehen von Michele Bachmann bis zu Jon Huntsman. Ron Paul will keiner.
Zuhälter und Muslimbruder
James O’Keefe wurde berühmt, als er, gekleidet wie ein Zuhälter in einem schlechten Hollywoodfilm – Cowboyhut, Dandystöckchen, Sonnenbrille, Chinchillamantel –, in mindestens acht Büros von ACORN aufkreuzte, zusammen mit einer Bekannten, die wie eine Prostituierte gekleidet war. ACORN (Association of Community Organizations for Reform Now) ist, oder vielmehr war, ein Dachverband von gemeinnützigen Vereinen, die sich für gering verdienende Familien einsetzten (was in den USA meist heißt, hispanisch oder schwarz). Die Leute von ACORN kämpften für gesetzliche Mindestlöhne und gegen Wucherhypotheken, vor allem aber sorgten sie dafür, dass ihre Klienten sich als Wähler registrieren ließen. Rund 1,3 Millionen Wähler hat ACORN alleine vor der Präsidentschaftswahl von 2008 angemeldet. Selbstredend gaben die meisten derart organisierten Wähler ihre Stimme den Demokraten, weshalb ACORN bei den Republikanern nicht so furchtbar beliebt war. Es gab immer wieder Vorwürfe, dass ACORN Wähler doppelt registriere oder unsauber mit Spenden umgehe. ACORN hat beispielsweise auch Schwarze aus New Orleans, die nach dem Hurrikan Katrina nach Houston oder Atlanta gezogen waren, per Bus zur Bürgermeisterwahl herangekarrt; das war der Hauptgrund, warum der schwarze Demokrat Ray Nagin wiedergewählt wurde.
O’Keefe und seine Freundin marschierten im Sommer 2009 mit einer versteckten Kamera in acht ACOR N-Büros und erzählten den – allesamt schwarzen – Frauen, die dort arbeiteten, sie wollten ein Bordell aufmachen und dazu minderjährige Zwangsprostituierte aus El Salvador in die USA schmuggeln. Wie sie das tun könnten und dabei auch vermeiden, Steuern zu zahlen? Diebeiden bekamen Ratschläge in fünf Büros. Das in Baltimore schlug vor, eine steuerbegünstigte Stiftung zu gründen.
O’Keefe gab kurze Ausschnitte aus dem Video an Fox News, den Nachrichtenkanal von Rupert Murdoch, und die ›Washington Times‹ (die der Moon-Sekte gehört) weiter und stellte sie auch auf mehrere Websites des rechten Bloggers Andrew Breitbart, für den er damals arbeitete. Daraufhin brach eine Welle der Empörung über ACORN herein. Staatsanwälte schalteten sich ein, Sponsoren wandten sich ab, zuletzt kappte der Kongress in Washington die finanzielle Unterstützung.
ACORN kämpfte noch eine Weile, musste aber ein Jahr später dichtmachen. O’Keefe wurde über Nacht zum Helden. Er wurde ins Studio von Fox News eingeladen, wo Sean Hannity ihn einen »Pionier des Journalismus« nannte. Glenn Beck lobte ihn, während Bill O’Reilly, der populärste Fox-Moderator, ihn für eine Medaille des Kongresses vorschlug. Das ebenfalls Murdoch-eigene ›Wall Street Journal‹ wies darauf hin, dass ACORN nicht nur von den Gewerkschaften unterstützt werde, auch Obama habe für die Organisation gearbeitet. Die boulevardeske Schwesterzeitung ›New York Post‹ nannte ACORN »linke Gauner«, die mit »unseren Steuergeldern« Hurenhäuser finanzierten. Ann Coulter bewunderte ihn öffentlich, und Breitbart, O’Keefes Auftraggeber, wünschte ihm den Pulitzerpreis.
Aber bald kamen Zweifel auf. Der frühere Generalstaatsanwalt von Massachusetts, den ACORN mit einer Untersuchung beauftragt hatte, fand heraus, dass O’Keefe keineswegs in seinem albernen Aufzug bei ACORN gewesen war – diese Bilder waren nachträglich eingefügt –, dass aus den Videos Teile geschnitten und die Fragen von O’Keefe mit neuem Ton unterlegt worden waren. Aber das hat weder ACORN gerettet noch O’Keefes Höhenflug beendet, im Gegenteil.
Und nun kommt er endlich, ein langer, dünner, jung und trotzig aussehender Mittzwanziger mit halb langen blonden Haaren. Die New Yorker Republikaner klatschen. Erst mal erzählt er von seinem neuem Vorhaben, der Website ›Project Veritas‹, die Lügen der liberalen Presse entlarve. Die Website sei gemeinnützig,weshalb Spenden von der Steuer abgesetzt werden könnten. Leider müsse er vorsichtig sein, denn sein letzter Coup in Baton Rouge, Louisiana, sei schiefgegangen. Mit zwei Mitstreitern war er als Außendienstler einer Telefongesellschaft getarnt in das Büro von Mary Landrieu eingedrungen, einer demokratischen
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