Tee macht tot
seinen Arm um Esther und Ingrid bemerkte zum ersten Mal etwas Tieferes bei dem sonst so charmeurhaften Lenni. Er würde doch nicht ...? Würde Esther? Doch für weitere Gedanken blieb keine Zeit, denn schließlich lag ja immer noch Agatha tot hinter dem Werktisch im Keller.
Es war 22:30 Uhr, als sich der spießige und alkoholverweigernde Prof. Dr. Dr. Knopf endlich von Balthasar Sebastian Rohrasch verabschiedete. Er finde den Weg schon selbst hinaus, wehrte er die Bemühungen des Hausherrn, ihm den Haupteingang aufzusperren, ab. Er würde den Notausgang über das Treppenhaus nehmen.
Balthasar Sebastian Rohrasch war damit einverstanden. Ihm dröhnte ohnehin etwas der Kopf. Dafür gab es schließlich einen Notausgang, zur Not konnte man auch allein hinaus.
Die Ruhe in dem Haus war angenehm. Die Nachtlichter der Flure signalisierten einem den Weg. Als er am Aufzug vorbeischritt, hörte er irgendwo über ihm die Aufzugtüren aufgehen. So, so irgendjemand fuhr also noch spazieren, dachte Prof. Dr. Dr. Knopf und schritt in das Treppenhaus. Er trat durch die Hintertür ins Freie, als er nachdenklich stehen blieb. Schnell stellte er seinen Fuß in die Schwelle, um das Zufallen der Tür zu verhindern.
Er wandte sich um und betrat St. Benedikta auf ein Neues. Dass er etwas länger würde bleiben, ahnte er freilich nicht.
43
Neugierig geworden, was Senioren so von Kunst verstanden, die sich obendrein auch noch zu Geld machen ließ, stieg Prof. Dr. Dr. Knopf auf leisen Sohlen die Treppe in den Keller hinab. Dass so ein bisschen Handwerkern als lebensverlängernde Maßnahme gelten sollte, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Im Mozarthaus gab es derlei nicht. Seine Senioren beschäftigten sich mit Stricken, Nichtstun oder Fernsehschauen. Dinge, die er weder organisieren noch beaufsichtigen musste. Aber so war er schon immer gewesen. Mit möglichst wenig Aufwand maximalen Profit zu erzielen, war seine Devise. Er lief am Heizungsraum vorbei und warf einen Blick hinein. Er musste den Kopf einziehen, um sich nicht den Kopf zu stoßen. Schon immer hatte er sich über solch winzige Türen geärgert. Das war oft ein Problem bei alten Häusern. Alles wurde modernisiert, für jeden offensichtlich, ging man dann aber in den Keller, wurde der Sparzwang augenscheinlich. Man traf immer wieder auf diese winzigen Öffnungen, die bei Unachtsamkeit schon so manchen zu Fall gebracht hatten − auch ihn schon. Er begutachtete den modernen Öltank und wunderte sich, wie man den durch dieses kleine Loch hatte bringen können. Was ihm weiter auffiel, war, dass der Rohrasch ebenfalls einen Feuerofen hatte, mit dem er seinen Senioren bei Bedarf einheizen konnte. Eine gute Sache, das fand selbst der Professor. An der Flurwand entlang war für den Notfall das Holz gelagert. Der Holzgeruch war angenehm. Kurz hielt er die Nase in die Scheite. Bestes Kiefernholz!
Tür um Tür öffnete er. Er fand den Wäscheraum, in dem quer durch den Raum die Wäscheleinen angebracht waren. Laken und Überzüge hingen daran. Es roch feucht. Gleich drei Industriemaschinen standen mit geöffnetem Maul an der Wand, bereit, das nächste Mahl in sich aufzunehmen. Dreimal die Woche bekamen die Senioren ihre Betten frisch bezogen, das hatte der Rohrasch ihm erzählt. Etwas übertrieben, hatte Professor Dr. Dr. Knopf daraufhin gemeint, was sein Gegenüber jedoch verneinte. Eigentlich wäre täglich frische Bettwäsche ein Muss, ließ sich jedoch bei dieser Menge an Leuten nur schwer umsetzen.
Professor Dr. Dr. Knopf schloss die Tür hinter sich und marschierte weiter, um in den nächsten Raum zu blicken. Er fand … einen Weinkeller? Nun war er wirklich baff. Was sollten die Senioren mit so viel Wein? Dass Balthasar Sebastian Rohrasch seinen Leutchen einmal in der Woche ein Glas Rotwein ans Bett stellen ließ, auf die Idee wäre er niemals gekommen.
Nun war er im Kunst- und Hobbyraum angekommen. Auf den ersten Blick konnte er nichts Ungewöhnliches ausmachen. Das, was da in den Regalen stand, konnte man seiner Meinung nach wirklich nicht als kunstvoll bezeichnen. Professor Dr. Dr. Knopf schüttelte abschätzig sein lichtes Haupt. So etwas produzierten also Senioren, die keine Ahnung von Kunst hatten, und verkauften es an Senioren, die noch weniger Ahnung hatten. Nein, da war er doch froh, dass seine Schutzbefohlenen ihre Zeit mit sinnfreiem Nichtstun verbrachten! Kaum seine Gedanken ausgedacht, sah er Beine hinter dem Tisch,
Weitere Kostenlose Bücher