Tee macht tot
Anliegen sei, so spät noch zu erscheinen, da sie doch nun Gleichstand hätten.
Also nahm Rohrasch die Besuchsanfrage an, wenngleich auch wieder zähneknirschend.
Um sich bis zum Abend abzulenken, bat er für den Nachmittag Pfarrer Johann zu sich. Mit wem sollte er sonst über diesen Unfall reden? Dass das ausgerechnet ihm passieren musste!
Der Zeiger stand auf 15 Uhr, als die Tür seines Büros aufging und der Pfarrer in sein Büro trat.
„Setzen Sie sich!“, bat der Heimleiter den Pfarrer Platz an und reichte ihm eine Tasse Kaffee.
Pfarrer Paul setzte sich und nahm die Tasse entgegen.
Als Balthasar Sebastian Rohrasch sich ebenfalls mit einer Tessa Kaffe gesetzt hatte, wollte er nach einem höflichen Smalltalk wissen, was man künftig gegen diese geöffneten Gräber tun könne. Schließlich solle sich so ein Unglücksfall nicht noch einmal wiederholen.
Diese Frage fand Pfarrer Johann schon sehr absonderlich, deshalb antwortete er dem Heimleiter, dass man den Leutchen einfach das Sterben verbieten sollte. Wenn niemand mehr stirbt, müsse man auch nicht diese unschönen Löcher in den Boden graben, dann würde sich so eine tragische Tragödie wohl auch nicht mehr wiederholen.
Der Rohrasch guckte den Pfarrer erstaunt an. Eigentlich hatte er erwartet, dass der Pfarrer ihm den Vorschlag unterbreiten würde, falls eine Beerdigung wieder einmal unterbrochen werden musste, die Gräber provisorisch mit Brettern zu bedecken, doch nun kicherte er über diesen Scherz. Zielstrebig griff er in seine Schreibtischschublade, holte eine Flasche Korn und zwei Gläser heraus und schenkte ein. Ohne den Tod, meinte er dabei, hätte der Pfarrer aber nicht mehr viel zu tun, denn auf Geburten und Hochzeiten können er in dieser Gegend kaum hoffen.
„Für wahr!“, sprach Pfarrer Johann und musste nun auch kichern. Aber er habe ja immer noch das Beichtsakrament zu erteilen und damit, ohne zu viel zu verraten zu wollen, sei er gut beschäftigt. Sie einigten sich darauf, den Leichenbestattern ein Öffnen des Grabes nur zu gestatten, wenn es auch wieder geschlossen wurde.
So vergnügten sich der Pfarrer und der Heimleiter bei einigen weiteren Korn; und der Rohrasch erzählte freimütig, wie er zu St. Benedikta gekommen war.
Auch der Pfarrer schilderte offenherzig einige Schwanks aus seinem Leben. Er erzählte jedoch nur den ersten und den letzten Teil. Den Teil, wie er ohne Priesterweihe seinen Dienst antrat, verschwieg er.
Bis zum Abend hatten der Pfarrer Johann und der Rohrasch fast Einen sitzen.
In diesem Zustand empfing der Heimleiter von St. Benedikta Prof. Dr. Dr. Knopf und bot ihm sogleich zur Begrüßung einen Kurzen an.
Dankend lehnte dieser ab, fand es aber sehr vorteilhaft, den Rohrasch in derart heiterer Laune vor sich zu sehen. Endlich konnte er erfahren, wie es der Heimleiter von St. Benedikta anstellte, seine Senioren derart lange am Leben zu halten. Betrachtete man das Durchschnittsalter und die durchschnittliche Lebenserwartung der beiden Häuser, lag St. Benedikta bei 90 Jahren, während es bei ihm, im Mozarthaus, nur 80 Jahre waren.
Der Rohrasch in Plauderlaune ließ sich nicht zweimal bitten. Bereitwillig zeigte er seine Algorithmen und erzählte ebenfalls, dass demnächst wieder eine Kunstausstellung für den guten Zweck stattfinden würde. Dafür habe er sogar im Keller seinen Senioren einen Kunstraum einrichten lassen, was der Knopf sehr entgegenkommend fand. Froh gestimmt und mit stolzer Brust ob des Lobes, lud Balthasar Sebastian
Rohrasch kurzerhand seinen Widersacher ein, diesem Event beizuwohnen.
Währenddessen bekam im dritten Stock Reinhold Paulsen einen Schups und landete mit dem Gesicht voran auf der Matratze. Peinlich berührt, entschuldigte sich Esther Friedrichsen bei ihm. Mit Lenni zusammen richtete sie ihn ordentlich hin; da fiel ihr ein, dass Reinhold wohl kaum in Straßenhose im Bett liegen konnte. „Du musst ihn umziehen!“
Lenni kniff leidig die Augen zusammen. Warum nur war er in den Aufzug gestiegen? Eine weitere halbe Stunde verging, bis Reinhold endlich seine Ruhe hatte. Der Abschied nahte. Esther wurde es schwer ums Herz. Die Zeit mit Reinhold und Frieda Paulsen war schön gewesen, viel zu kurz, aber schön. Liebevoll verabschiedete sie sich und bat Reinhold, Grüße an Frieda auszurichten. Montags würde sie nun auch ihre Gräber besuchen und Blumen mitbringen. Eine Träne rann ihr die Wange herab. Die Anspannung des Abends machte sich bemerkbar.
Mitfühlend legte Lenni
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