Tee und Toast
Seitenwände der Zelte auf, damit die Luft durchziehen und der Boden trocknen konnte. Als es dunkel wurde, machten wir unzählige Büchsen auf, kochten Austernsuppe, brieten Steaks, zu denen es Spargelgemüse und Erbsen gab, schlugen schließlich noch kondensierte Sahne schaumig und gossen sie über das Pfirsichkompott.
»Das müßte doch die Laune heben«, meinte Larry optimistisch.
Gut, wenigstens die Kinder waren begeistert und aßen, als hätten sie tagelang am Hungertuch genagt. Wir brachten sie sehr früh zu Bett. In der Hoffnung, sie würde Onkel Richard finden und etwas aufheitern, hatten wir Lydia vorgeschlagen, doch einen Spaziergang zu machen. Wie er allerdings mit Gloria am gleichen Tisch sitzen würde, konnten wir uns noch nicht so recht vorstellen.
Aber hier hatte ich mich getäuscht. Mutter sagt immer, daß man die gute Erziehung eines Menschen erst dann richtig merkt, wenn er mit schwierigen Situationen umzugehen weiß. Nun mußte ich feststellen, daß auch das andere Extrem seine Methoden hatte. Gloria war nicht mehr wütend und beleidigt, als sie mit Vivian Ward zurückkam, im Gegenteil. Sie benahm sich lediglich wie ein ungezogenes kleines Schulmädchen. Sie ignorierte uns und unterhielt sich nur mit Vivian Ward. Entweder war sie so daran gewöhnt, Szenen zu machen, daß es sie nicht weiter belastete, oder sie hatte geradezu ihren Spaß daran.
Ward jedoch schien sich ziemlich ungemütlich zu fühlen. Als er hereinkam, blickte er nervös durch die Runde und sagte kurz darauf zu Sam: »Ich nehme an, es ist unmöglich, ein Motorboot zu bekommen, oder? Ich müßte nämlich morgen wieder in meinem Büro sein.«
»Kiri kann nicht später als vier Uhr nachts hierher kommen. Das ist reichlich früh. Aber abgesehen davon, können Sie ihn nur erreichen, wenn Sie die acht Kilometer zum nächsten Telefon gehen, und es ist stockdunkel draußen.«
Vivian aß schweigend und blickte Gloria entschuldigend an. Sie zuckte mit den Schultern und schob ihre Suppe beiseite, als sei sie giftig. Es war kein sehr feierliches Mahl.
Aber wenigstens verbrachten wir eine ungestörte Nacht. Der Regen schien die Moskitos ertränkt zu haben. Am Morgen kam auf völlig unerwartete Weise die Erlösung. Nachdem wir drei Tage lang mutterseelenallein an unserem Strand gewesen waren, bekamen wir plötzlich Besuch. Aus dem Busch tauchte ein großer lächelnder Maori auf einem Maulesel auf.
Larry rannte auf ihn zu und begrüßte ihn. Es war Reti, der vor Jahren, als er noch nicht verheiratet war, auf Sams Farm manchmal als Tagelöhner gearbeitet hatte. Heute hatte er eine eigene Farm, völlig verlassen, ein paar Kilometer weiter die Küste hinunter. Er befand sich auf dem Weg zum Krämerladen.
Wir luden ihn zu einer Flasche Bier ins Küchenzelt ein und erzählten ihm von unseren Erlebnissen. Er hörte zu, lachte und war sehr zutraulich.
»Und jetzt wollt ihr wieder nach Hause, was?« fragte er sehr richtig.
Hoffnung machte sich auf unseren Gesichtern breit. Würde er bitte Kiri vom Krämerladen aus anrufen und ihn fragen, ob er anstatt morgen schon heute nachmittag kommen könne? Um vier Uhr müßte es möglich sein. Da stand die Flut am höchsten. Sam drückte ihm eine Pfundnote in die Hand, und Reti strahlte uns an. Alles wäre okay, er würde den Bootsmann anrufen und uns auf dem Rückweg, in ein oder zwei Stunden, Bescheid sagen.
Wir wußten, daß die Chancen trotz Retis Optimismus gering waren. Aus den ein oder zwei Stunden wurden drei und vier. Keiner wagte es, das Lager zu verlassen. Es war bereits drei Uhr nachmittags, als Reti zurückkam. Wir hatten bereits jegliche Hoffnung aufgegeben. Ein Blick in sein strahlendes Gesicht, und Sam rief: »Er hat angerufen«, rannte hinaus und klopfte Reti dankbar auf die Schulter. Aber wie sollten wir in einer Stunde fertig sein? Die Flut stand schon ziemlich hoch, und bis wir die Zelte abgebaut und alles zusammengepackt haben würden, war das Wasser vielleicht schon wieder zu weit zurückgegangen.
Aber es ist erstaunlich, was man zustande bringt, wenn man will. Alles half zusammen, und jeder hatte nur eine Angst — noch weitere vierundzwanzig Stunden an diesem wundervollen Strand verbringen zu müssen. Wir wollten nur weg von hier. Wir wollten Gloria von Larry und Onkel Richard trennen und wenn möglich mit Vivian Ward vereinen. Danach, hofften wir alle im stillen, würden wir die beiden sicherlich nie wieder zu Gesicht bekommen.
Auch Gloria schien den gleichen Wunsch zu hegen,
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