Tekhnotma - Das wüste Land: Roman (German Edition)

in einer fahrenden Maschine befand. Nicht in einem Fuhrwerk, das von einem Manis gezogen wurde, sondern in einem motorisierten Fahrzeug. In seiner Phantasie tauchte plötzlich ein Sender mit Holzrädern und einer Karosserie auf, die an einen riesigen Korb erinnerte. Das Gefährt verfügte über einen unglaublichen Motor, einen schwarzen Dampfkessel, der mit einer ausgebuckelten metallischen Abdeckung verkleidet war und aus dessen Mitte ein dickes Rohr aufragte. Jeder Zentimeter dieses abartigen Wunderfahrzeugs war besetzt von blutrünstigen Nomaden, die sich an den Seitenwänden festhielten, auf dem Dach hockten und ihre Speere schüttelten. Und am Steuer stand Taka, mit einer Pfeife zwischen den Zähnen und einer schwarzen Augenklappe.
    Wieso Augenklappe?
    Das Gewehr, plötzlich erinnerte sich Turan an das Gewehr. Er blickte sich im Zimmer um, steckte den Kopf unters Bett. Wo war sein Gewehr? Seine Pistole oder Flinte … Nein, er hatte ja keine Waffe gehabt. Bei dem Kampf mit den Banditen hatte er zuletzt Botschkas verbogenes Rohr an sich gebracht.
    Warum hatte Krjutschok ihn nicht erschossen?
    Diese Frage verdrängte mit einem Schlag alle anderen Überlegungen. Turan erstarrte, blickte gedankenverloren vor sich hin. Er erinnerte sich genau an den Felsen, der von Dampf eingehüllt wurde, an den Schuppen, die toten Körper im Schlamm, den Transporter und Krjutschok mit seiner doppelläufigen Flinte. Turan setzte sich wieder aufs Bett und betrachtete seine Finger. Sie waren voller kleiner Wunden – ja, Krjutschok hatte ihm das Rohr aus den Händen geschossen. Warum hatte er ihn nicht getötet?
    Turan schüttelte den Kopf: Vergiss das erst mal, das ist Vergangenheit. Im Moment geht es darum herauszufinden, was hier passiert.
    Das Knattern wurde lauter, der Boden schwankte stärker, und Turan stellte sich unter das runde Fenster. Aber er konnte nichts erkennen, irgendetwas Graues befand sich dahinter, das irgendwie vertraut wirkte, aber was war es? Eine Art Stoff? Woher sollten sie Stoff haben? Und dann noch einen, der metallisch glänzte?
    Wenn dies das Fahrzeug von Menschenfressern war, hatte er keine Chance. Aber warum hatten sie ihn dann nicht gefesselt? Und außerdem hätten sie ihn vermutlich nicht so sorgfältig verarztet, seine Verletzungen verbunden und ihn neu eingekleidet.
    Er musste sich mit irgendetwas bewaffnen und dann hinausgehen. Und falls die Tür verschlossen war – sie einschlagen.
    Er drehte den Nachttisch um, brach ein Bein ab und hieb damit durch die Luft wie mit einem Schlagstock. Es war zu kurz und zu leicht – aber etwas anderes gab es hier nicht.
    Er spürte, wie seine Kräfte zurückkehrten. Zwar humpelte er noch und seine Schulter schmerzte, aber er konnte sich bewegen: Ihm war nicht mehr schwindlig und seine Beine knickten nicht ein.
    Der Boden schwankte, das Knattern drang wellenartig an seine Ohren, mal lauter, mal leiser, und dann hörte er ein Brausen und Pfeifen, als ob ein starker Wind ginge. Turan ging auf die Tür zu. Er rechnete damit, dass sie abgeschlossen war, aber sie ließ sich öffnen. Vorsichtig spähte er hinaus. Vor ihm lag ein schmaler röhrenartiger Gang aus geflochtenen Wasserpflanzen, der von außen durch stählerne Reifen verstärkt war. Er führte leicht aufwärts. Seitlich befanden sich Fenster und am anderen Ende eine runde Tür.
    Das Nachttischbein fest in der Hand trat Turan ans nächstgelegene Fenster.
    Er erstarrte: Unter ihm lag die Don-Wüste, klein wie in einem Bilderbuch.
    Die gestreiften Hügel krochen langsam unter ihm vorbei. Die Schiff-Stadt lag weit vorne und sah aus wie ein schmutziger schwarzer Haufen inmitten der hellen Pfütze des Salzsees. Der Felsen, wo Turan mit den Banditen gekämpft hatte, war in einer Rauchwolke verborgen. Der Schlammsturm hatte sich in Richtung Brücke verzogen, ein heller, warmer Himmel breitete sich über die Don-Wüste und die Sonne stand im Zenit.
    Die Sonne konnte Turan nicht sehen – sie wurde von einem länglichen, glänzenden Behälter verdeckt, der netzartig von Seilen überzogen war. Jetzt war alles klar: Er musste sich in der Gondel eines Luftschiffes befinden. Aber warum hing die Gondel nicht genau unterhalb des Behälters, sondern auf der Seite?
    Er erinnerte sich an die Aviette der Flieger, an Ajuta Tschiorana und die Kiste, die er zwischen den Wurzeln des Baums am Eisernen Berg vergraben hatte. Die Himmelsgänger hatten ihn gefunden! Irgendwie hatten sie Turan Dschaj ausfindig gemacht, hier in der