Tekhnotma - Zeit der Dunkelheit: Roman (German Edition)
erzählen, was hier passiert.«
»Höchste Zeit«, entgegnete ich.
Ohne auf mich zu achten, fuhr sie fort:
»Damit du mir vertrauen kannst, musst du verstehen, wo du reingeraten bist. Ich bin auf dem Weg zum Tempel, um …«
»Tempel?« Ich fiel ihr ins Wort. Dieses Wort passte genauso wenig in das allgemeine Bild von grenzenlosen verödeten Landschaften, Müllhalden, abgerissenen Obdachlosen und Banditen in primitiven Fahrzeugen wie der gewaltige Flugkörper, den ich in der Nacht am Himmel gesehen hatte. Auch wenn Juna Galos Verfolger seltsame Mönche waren …
»Ja, klar.« Sie blickte mich an. »Was überrascht dich daran? Zum Tempel des Ordens der Reinheit.«
Um meine Unwissenheit zu überspielen, fragte ich:
»Was könnten der Mecha-Korpus und der Orden schon miteinander zu tun haben?«
Ich hatte ins Schwarze getroffen. Juna nickte:
»Stimmt, das ist schwer vorstellbar. Der Orden mag uns nicht. Aber wir haben ihm versprochen, ihn im Kampf gegen die Mutanten zu unterstützen, wenn er uns hilft. Die Nekrose hat Arsamas eingekreist, Tausende von Menschen sind in der Stadt eingeschlossen. Wir haben die Himmelsgänger angefordert, aber bis ihre Luftschiffe uns erreichen …«
Himmelsgänger, Luftschiffe? Interessant, gab es hier etwa Flugzeuge? Ich musste das Gespräch im Fluss halten, daher sagte ich:
»Luftschiffe sind nicht besonders schnell.«
»Außerdem sind es viel zu wenige, um alle Bewohner der Stadt zu retten!«, ergänzte Juna. »In Arsamas befinden sich unsere Labors und Werkstätten. Wenn die Nekrose sie befällt, ist das unser Ende. Der Herrscher des Tempels hat uns zu verstehen gegeben, dass er weiß, wie man die Nekrose aufhalten kann. Deshalb bin ich auf dem Weg zu ihm.«
»Zwei Dinge verstehe ich nicht.« Wieder unterbrach ich sie.
»Frag alles, was du wissen willst, Rasin. Ich werde nichts verheimlichen.«
Vor uns tauchte ein Tümpel auf, der mit einem regenbogenfarbenen Schaum bedeckt war. Eine breite Brücke führte ans andere Ufer. Während ich unseren Wagen darauf zulenkte, sagte ich:
»Warum schicken sie dich zu diesen Gesprächen? Du …«
»Ich bin Timerlan Galos Tochter, das einzige Kind des Oberhauptes vom Mecha-Korpus!«
»Aber du bist noch sehr jung.«
Wieder blickte sie mich überrascht an. Dann sagte sie trocken:
»Ich bin von Kind auf dazu erzogen worden. Man hat mich seit Jahren auf die Rolle des Unterhändlers vorbereitet. Vor vier Saisons habe ich zum ersten Mal eine Verhandlung geführt und erfolgreich abgeschlossen. Damals habe ich mit den Waffenschmieden in Charkow einen Vertrag über die Lieferung von gezogenen Karabinern ausgehandelt. Inzwischen leite ich alle Verhandlungen des Mecha-Korpus. Wer also wäre geeigneter als ich, um nach Moskau zu reisen?«
»Dein Vater. Schließlich geht es um Leben und Tod …«
»Aber mein Vater ist nicht auf Verhandlungen spezialisiert! Ihr im Süden scheint ja seltsame Geschäftsgebräuche zu haben. Mein Vater wird im Moment in Arsamas gebraucht, dort passieren so viele Dinge. Er kann die Stadt unmöglich verlassen, außerdem ist er …« Juna verstummte.
Ich wartete nicht darauf, dass sie weitersprach, sondern sagte:
»Also gut. Zweite Frage: Warum jagen dich die Mönche? Wenn du doch zu ihrem Herrscher fährst, um mit ihm zu verhandeln …«
Ich unterbrach meinen Satz, weil mir klar wurde, dass ich nur eine Vermutung äußerte. Vielleicht hatte der Tempel nichts mit den Mönchen zu tun. Vielleicht hockten im Tempel irgendwelche Opferpriesterinnen, und Mönch war nur die Bezeichnung für die Angehörigen einer bestimmten Bande.
»Das verstehe ich auch nicht!«, rief Juna hitzig aus, und ich atmete erleichtert auf. Etwas ruhiger fuhr das Mädchen fort: »Sie haben uns schon kurz nach unserer Abreise aus Arsamas überfallen. Ein Himmelsgänger war gerade bei uns zu Verhandlungen zu Besuch gewesen. Wir hatten vereinbart, dass er mich mit seinem Luftschiff direkt bis nach Balaschicha bringt, wo Luka Stiditsch, der Gesandte des Herrschers, mich in Empfang nehmen sollte. Danach wollte er nach Minsk fliegen und die anderen Himmelsgänger über die Ereignisse in Arsamas informieren. Aber kaum hatte das Luftschiff die Nekrose überquert, eröffneten die Mönche das Feuer auf uns. Wir flogen nicht sehr hoch, und das Luftschiff stürzte ab. Kurz darauf tauchten die Mönche an der Absturzstelle auf, und es kam zu einer wilden Schießerei. Die meisten meiner Begleiter starben im Kampf, auch die Besatzung des Luftschiffs. Wir
Weitere Kostenlose Bücher