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Teller, Janne

Teller, Janne

Titel: Teller, Janne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichts
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gleichmäßigen Bahnen mit einem Rechen, den wir von Sofie geliehen hatten. In
dem stillgelegten Sägewerk wurde es richtig nett.
    Eins
konnten wir jedoch nicht ändern: der Berg aus Bedeutung hatte angefangen,
wenig angenehm zu riechen. Wenig angenehm. Unangenehm. Eklig. Zum Teil lag das
an Aschenputtels Hinterlassenschaften auf Jesus und dem Rosenkreuz und zum Teil
an den Fliegen, die um Aschenputtels Kopf und Rumpf schwirrten. Ein sehr unangenehmer
Dunst stieg aus dem Sarg mit Klein Emil auf. Das erinnerte mich an etwas, was
Pierre Anthon vor einigen Tagen gerufen hatte. »Ein
schlechter Geruch ist genauso gut wie ein guter Geruch !« Er hatte keine Pflaumen zum Werfen, und um seine Worte zu begleiten, hatte er
stattdessen mit der flachen Hand an den Ast geschlagen, auf dem er saß. »Was
riecht, ist die Verdorbenheit. Aber was verdirbt, ist dabei, Teil von etwas
Neuem zu werden. Und das Neue, das entsteht, riecht gut. Deshalb macht es
keinen Unterschied, ob etwas gut oder schlecht riecht, das ist einfach ein Teil
des ewigen Kreislaufs des Lebens .«
    Ich hatte
ihm nicht geantwortet und Marie-Ursula und Maike, mit denen ich zusammen
unterwegs war, auch nicht. Wir hatten nur ein bisschen die Köpfe eingezogen
und uns beeilt, zur Schule zu kommen, ohne über das zu reden, was Pierre Anthon gerufen hatte.
    Jetzt
stand ich hier im aufgeräumten Sägewerk und hielt mir die Nase zu und wusste
plötzlich, dass Pierre Anthon recht hatte: etwas, was
gut roch, wurde schnell zu etwas, was eklig roch. Und etwas, was eklig roch,
war auf dem Weg, etwas zu werden, was gut roch. Aber ich wusste auch, dass mir
etwas, was gut roch, lieber war als etwas, was schlecht roch. Nur wie ich das
jemals Pierre Anthon erklären sollte, das wusste ich
nicht. Es war an der Zeit, dass wir die Geschichte mit der Bedeutung zu Ende
brachten.
    An der
Zeit! Höchste Zeit! Im letzten Moment!
    Es machte
auch nicht mehr so viel Spaß wie am Anfang.
    Jedenfalls
nicht Jan-Johan.
     
    Er jammerte schon am Freitag, als wir aufräumten, und es half auch
nicht, dass Ole sagte, er solle den Mund halten. »Ich verrate euch«, antwortete
Jan-Johan. Es wurde still.
    »Du
verrätst uns nicht«, sagte Sofie kalt, aber das machte auf Jan-Johan keinen
Eindruck.
    »Ich verrate euch«, wiederholte er. »Ich verrate euch! Ich verrate
euch! Ich verrate euch !« Er wiederholte die Worte wie
ein Lied ohne Melodie.
    Jan-Johan
wollte petzen und sagen, die Geschichte, die wir erfunden hatten, damit er sie
seinen Eltern erzählte, sei gelogen. Es sei nicht wahr, dass er das
verschwundene Messer seines Vaters gefunden habe und sich damit versehentlich
den Finger abschnitt, als er es aus dem Pfosten ziehen wollte, in dem es
feststeckte.
    Das
Gejammer war nicht auszuhalten, deshalb schrie Ole Jan-Johan an, er solle die
Klappe halten, sonst würde er sich ein paar einfangen. Das half auch nicht. Und
so musste Ole Jan-Johan ein paar runterhauen, aber danach wurde aus dem Jammern
nur lautes Geschrei, bis Richard und Dennis Ole packten und sagten, nun reiche
es. Dann schickten wir Jan-Johan mit dem Bescheid nach Hause, er solle am
nächsten Tag um ein Uhr kommen.
    »Wenn du
nicht auftauchst, bekommst du noch mehr Prügel !« , rief
ihm Ole nach.
    »Nee«, sagte Sofie und schüttelte den Kopf. »Wenn du nicht auftauchst,
dann nehmen wir die ganze Hand .« Wir sahen uns an.
Keiner bezweifelte, dass Sofie meinte, was sie sagte. Auch Jan-Johan nicht. Er
senkte den Kopf und rannte, so schnell er konnte, zur Straße und weg vom
Sägewerk.
     
    Samstag,
zehn Minuten vor eins, tauchte Jan-Johan wieder auf.
    Dieses Mal rannte er nicht, sondern ging langsam, fast taumelnd, auf
das Sägewerk zu. Ich weiß das, weil Ole und ich, die Hände tief in den Taschen
vergraben, am Ende der Straße standen und warteten, und dass wir in dem
eisigen Wind schauderten. Bereit, ihn zu holen, falls er nicht von selbst kam.
Sobald er uns sah, begann Jan-Johan zu jammern. Ich erinnerte mich an Sofies
verbissenes Schweigen, damals bei der Unschuld, und sagte, Jan-Johan solle den
Mund halten und sich zusammenreißen. Was für ein Weichei! Weichei! Feigling!
Janna-Johanna! Es half nicht.
    Und Jan-Johans Jammern wurde noch schlimmer, als wir ins Sägewerk kamen
und er das Messer sah, das in dem Brett über den Holzböcken steckte, wo der
Finger guillotiniert
werden sollte.
Dieses ausgezeichnete Wort für das, was geschehen sollte, stammte von Dame
Werner. Jan-Johan war es egal. Er plärrte durchdringend, und was

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