Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
„Danke für die Information.“
„Gern geschehen.“
Kiara öffnete die Tür und ging hinaus auf den Gang. Sie ging jedoch nicht weiter. Ihr Herz klopfte unruhig. Unschlüssig blieb sie stehen, immer noch die Klinke der Tür in der Hand, als würde sie in ihrem Inneren eine schwierige Entscheidung treffen müssen.
Schließlich trat sie erneut in Myrtels Büro ein.
„Ich habe noch eine Frage“, sagte sie.
XII
Samira eilte wie ein Irrwisch von einem Gast zum anderen. Sie hatte schon längst den Überblick verloren, wen sie alles eingeladen hatte, wer bereits gekommen war, wer abgesagt hatte. Obwohl – abgesagt hatte niemand. Keiner der Freunde und Bekannten wollte sich Samiras Abschiedsparty entgehen lassen, bevor sie am Montag für ein Jahr nach Los Angeles aufbrach. Daher platzte der alte Jugendclub, der seine Räume an Wochenenden oft für Feierlichkeiten vermietete, aus allen Nähten. Er lag unweit des Hauses, das Samira mit ihren Eltern und den beiden Schwestern bewohnte, nur zwei Straßen weiter, um genau zu sein, und hatte die meisten Gäste, wie auch die jungen Frauen, schon als Kinder gesehen. Damals hingen sie mit Gleichaltrigen über dem Billardtisch, tranken alkoholfreies Bier und verdrehten den Jungs reihenweise den Kopf. Viele der alten Freunde waren heute gekommen, tranken dieses Mal alkoholisches Bier und trauerten verpassten Chancen bei den Mädchen nach.
Auch Samiras Freund Luca war da, wich jedoch nicht von Samiras Seite, was bei ihrem Bewegungsdrang und den vielen Gästen, mit denen sie sprechen musste, nicht ganz so einfach war.
Neben der Tür, eingeklemmt zwischen Bar und Wand, stand Holger, ein Glas in der Hand, das zur Hälfte mit Wodka, zur anderen Hälfte mit Cola gefüllt war. Er hatte den Barkeeper dreimal angewiesen, den Inhalt wirklich genau in zwei Hälften zu teilen, nicht nur einen Schluck Alkohol und den Rest mit Cola auffüllen, wie es sonst der Fall war. Beim dritten Glas hatte es der Junge dann richtig gemacht, und jetzt, das sechste, schmeckte sogar ganz gut.
Holger starrte zu Kiara hinüber. Sie stand mit ihrer Tochter Lea bei Samira, die für einen Moment stillhielt und mit beiden ein intensives Gespräch führte. Doch es dauerte nicht lange. Nachdem das Model weitergeflattert war, ging Kiara mit ihrer Tochter zum Billardtisch, um der Kleinen die Grundbegriffe des Spiels zu erklären.
Holger krallte sich an sein Glas, nahm noch einen Schluck, dann schlenderte er lässig zum Billardtisch rüber. Zumindest meinte er, es sähe lässig aus. Er wirkte jedoch eher wie Donald Duck, der zu viel vom Punsch genascht hat und nun nach Hause watschelt.
„Wollt ihr eine Runde spielen?“, fragte er, als er bei den beiden angekommen war.
„Ich kann es noch nicht spielen“, konterte Lea sofort.
„Dann kannst du aber sehen, wie es funktioniert. Willst du?“
Lea nickte, Kiara ebenfalls, Letztere zog jedoch danach sofort die Stirn kraus.
„Willst du es wirklich mit mir aufnehmen? Du weißt, ich bin ‚Die mit der Kugel tanzt‘“, fragte sie mit gespielter Sorge.
„Und du weißt, ich bin ‚Der Mann, der Die mit der Kugel tanzt erschoss‘.“
Lea lachte. „Was sind denn das für komische Namen?“
Kiara krempelte die Ärmel hoch. „Wir haben als Kinder und Jugendliche manchmal hier gespielt, daher stammen unsere Spitznamen. Es waren harte Duelle zwischen uns“, erklärte sie der Tochter. Dann wandte sie sich an Holger. „Ich glaube, bei unserem letzten Spiel habe ich dich haushoch besiegt. Du willst also jetzt eine Revanche?“
Holger krempelte ebenfalls die Ärmel hoch, vergaß aber, das Glas vorher abzustellen, so dass er seinen Drink auf den Boden kippte. Zum Glück war nicht mehr viel im Glas gewesen, so dass es kaum auffiel.
„Soweit ich mich erinnern kann, habe ich bei unserem letzten Spiel gewonnen. Das heißt, du würdest jetzt die Revanche bekommen. Aber es ist auch egal. Wer heute gewinnt, wird als ewiger Sieger in die Annalen eingehen. Spiel mir das Lied von der Kugel, Baby. Du fängst an.“
Er legte die Kugeln in das Dreieck und platzierte sie im unteren Drittel des Tisches. Dann legte er die weiße Kugel an ihre Stelle auf der anderen Seite des Tisches. Kiara ging zur Wand und nahm ein Queue in die Hand, ein weiteres reichte sie Holger.
Der prüfte es, als würde er ein Gewehr auf seine Funktionalität hin testen. Das Gerät schien die Prüfung schließlich bestanden zu haben, denn er schmierte die Pomeranze mit blauer Kreide
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