Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
bin ich froh wegzukommen. Ihr nervt.“
Mit diesen Worten ließ sie die Gruppe stehen und wandte sich anderen Freunden zu, und auch ihren Eltern, die sich an der Bar niedergelassen hatten.
Kiara blieb allein zurück. Das war DIE Chance für Holger. Vielleicht seine letzte am heutigen Abend. Er konnte nicht mehr lange geradeaus laufen, geschweige denn einen Versuch starten, seine Liebe zu gestehen, ohne ins Lallen zu verfallen.
„Sie wird ihr Glück schon machen“, sagte er zu Kiara, die Samira beobachtete, wie die ihrer Mutter um den Hals fiel.
„Ich hoffe es.“
„Und wie gesagt, wenn du jemanden brauchst, mit dem du weggehen willst, hast du mich.“
Sie lächelte ihn an, als er das sagte. Das war ein gutes Zeichen.
„Danke“, sagte sie.
Jetzt, dachte er. Jetzt! Sag es ihr!
Kiaras Lächeln verblasste. „Ich weiß nur nicht, ob wir uns demnächst noch so oft sehen. Es kann sein, dass ich den Job wechsele.“
„Ich...“, hob er an, doch dann begriff er, was sie gesagt hatte. „Was meinst du? Du willst den Job wechseln? Wohin? Warum? Wann?“ Er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen.
„Es sind die ständigen Zusatzschichten, die mich nerven, nichts sonst“, log sie. „Ich will mehr Zeit mit Lea verbringen, daher ziehe ich es in Erwägung.“
„Und wo?“ Holger hatte das Gefühl, sein Mund sei kurz vor dem Austrocknen. Er brauchte unbedingt einen Drink. Aber wenn er den nahm, kippte er um.
„Ich weiß es noch nicht genau“, log sie weiter. „Ich habe mir das eine und andere angesehen, habe aber noch nichts Konkretes in Aussicht.“
„Und wann?“
„Demnächst.“
„Aber...hm...das...okay...so...hm...doch...naja...also...“ Er rang offensichtlich nach Worten. Und suchte seine Fassung. „Das ist irgendwie schade“, brachte er schließlich heraus. „Aber vielleicht trifft man sich ja mal so.“ Wenn sein Herz noch schneller klopfte, erlitt er gleich einen Herzinfarkt.
„Das kann sein.“ Sie lächelte wieder.
Was bedeutete das?
„Ja, das kann sein. Vielleicht.“ Er wandte sich ab. „Mir ist schlecht.“
Dann stolperte er aus dem Jugendclub und lief gebeugt und mühevoll den Steinen des Fußweges folgend nach Hause.
***
Kiara hatte sich nicht hier und dort nach einem neuen Job umgesehen, sie zog die Kündigung auch nicht nur in Erwägung. Noch an diesem Wochenende schrieb sie sie. Und sie schrieb auch eine Bewerbung, die nach ihrem Gespräch mit Myrtel Ragewitz vor ein paar Tagen jedoch eigentlich nur noch eine Formsache war. Sie hatte den neuen Job schon so gut wie in der Tasche, weil eine Kollegin im Wellnessclub vor kurzem gekündigt hatte und Myrtel aus diesem Grund schon mehrere unerwünschte Dienste übernehmen musste. Aber sie würde ihn nicht wegen der besseren Schichtzeiten annehmen, sondern aus einem ganz anderen Grund: Sie wollte den Mann finden, der dafür verantwortlich war, dass ihr Traum vom Leben zerbrochen war. Er musste für seine Tat büßen.
Nur wenige Straßen weiter, im Haus von Samira Puckler, herrschte an diesem Wochenende verständlicherweise Ausnahmezustand. Samira verbrachte die meiste Zeit in ihrem Zimmer und packte ihre Tasche. Genau genommen waren es mehrere Taschen, von denen die eine oder andere sicher dann doch in der deutschen Heimat bleiben musste.
Doch wer genau hinsah, hätte auf den Wangen der schönen, jungen Frau nicht nur Freudentränen, sondern auch Tränen der Trauer über den Abschied entdecken können. Leider kam kaum jemand dazu, denn sobald ein Familienmitglied Samiras Zimmer betrat, wischte sie sie schnell weg.
Wenig später gab es eine letzte Umarmung von den Schwestern, einen letzten Kuss von der Mutter und vom Vater, und dann brachte sie das Taxi zum Flughafen, wo sie in das Flugzeug stieg, sich in ihren Sitz fallen ließ und hemmungslos zu weinen begann.
In einem eleganten Apartment an der Spree lag derweil Jack Logan auf einer Hantelbank und trainierte seinen beachtlichen Bizeps, als es an der Tür klingelte.
Unwillig erhob er sich und hinkte zum Flur, wo er durch den Spion blickte und überrascht die Augenbrauen hochzog. Er öffnete die Tür und zeigte den beiden Besucherinnen sein perfektes Lächeln.
„Was für eine angenehme Überraschung“, sagte er. Doch noch bevor die beiden Schönheiten eintreten konnten, ertönte das Klingeln seines Telefons. Er wandte sich entschuldigend ab und lief humpelnd zum Tisch, auf dem das Gerät lag. Die Krücke lehnte unbenutzt daneben, denn er hatte das
Weitere Kostenlose Bücher