Temptation: Weil du mich verführst
großer Teil von ihr verzehrte sich regelrecht danach. Wieso musste er auch so unwiderstehlich sein? Dieser Mann war wie eine Droge, mit dem Unterschied, dass ihre Sucht nach ihm viel schlimmer war, weil sie nicht nur ihren Körper betraf, sondern auch ihre Seele. Weil sie, ob sie es nun wollte oder nicht, ein Stück weit in ihn hineinblicken konnte. Und weil das, was sie darin sah, die reinste Qual für sie war.
»Ich hatte gehofft, du hättest deine Meinung über das, was du zu mir gesagt hast, inzwischen geändert«, meinte er leise und trat auf sie zu. Eine Wolke hatte sich vor die Sonne geschoben. Im gedämpften Licht wirkte das Blau seiner Augen noch eindringlicher als sonst. Sie standen mitten auf dem Bürgersteig, während sich rings um sie Passanten an ihnen vorbeidrängelten, doch sie schienen es nicht zu bemerken. Es war, als schwebten sie in einer Blase der Zweisamkeit, für nichts und niemanden erreichbar.
»Ich hatte nicht nur einen Wutanfall, wie du es dargestellt hast, Ian. Das war nicht der Punkt, um den es hier geht«, sagte sie. »Sondern darum, dass du mich einfach im Stich gelassen hast.«
»Ich bin zurückgekommen. So wie ich es versprochen hatte.«
»Und ich habe dir gesagt, dass ich dann nicht mehr verfügbar sein werde«, entgegnete sie und sah, wie ein weiteres Mal etwas in seinen Augen aufflackerte. Es passte ihm ganz und gar nicht, so etwas zu hören, daran bestand kein Zweifel.
Mir gefällt die Idee, dass du jederzeit verfügbar bist.
Sie spürte ein Ziehen bei der Erinnerung an diese Worte, riss sich von seinem Blick los und starrte blindlings in Richtung Fluss. »Das Bild nimmt allmählich Gestalt an.«
»Ich weiß. Ich war vorhin im Atelier und habe es mir angesehen. Es ist spektakulär.«
»Danke«, sagte sie, den Blick weiterhin abgewandt.
»Jacob hat mir erzählt, du hättest die Führerscheinprüfung bestanden. Er war sehr stolz auf dich.«
Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Auch sie war sehr stolz gewesen – in vielerlei Hinsicht. Das hatte sie einzig und allein Ian zu verdanken.
»Danke, dass du mich dazu ermutigt hast.« Sie starrte auf ihre Schuhspitzen. »Hattest du eine gute Reise nach London?«
Sie blickte auf, als er nicht sofort antwortete.
»Ich wüsste nicht, dass ich dir gesagt hätte, wohin ich fliege.«
»Hast du auch nicht. Ich bin von allein draufgekommen. Wieso fährst du immer allein nach London?«, fragte sie aus einem Impuls heraus. »Jacob hat mir erzählt, dass du ihn nie dorthin mitnimmst. Bitte, mach Jacob deswegen keinen Vorwurf«, fügte sie hinzu, als sie sein Gesicht sah. »Er wusste auch nicht, wo du bist. Ich habe mich mit ihm unterhalten, und rein zufällig stellte sich heraus, dass er dich in London nie fahren muss. Da er hier in Chicago war, habe ich den Schluss gezogen, dass du in London sein musst.«
»Wieso warst du so neugierig?«
Ja, warum nur, wo sie doch vorgegeben hatte, dass er ihr gleichgültig war?
»Was wolltest du mir im Penthouse zeigen?«
Seine Miene verriet ihr, dass er ihre Taktik sehr wohl durchschaut hatte – Antworten vermeiden, indem man selbst Fragen stellte. Er gab ihr mit einer Geste zu verstehen, ihm zu folgen. »Das kann man nicht beschreiben, sondern muss es selbst sehen.«
Sie zögerte. Zog sie ernsthaft in Betracht, ihm zu verzeihen, dass er sie am Freitag einfach im Stich gelassen hatte, ohne ihr eine Erklärung für seinen überstürzten Aufbruch zu geben?
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus.
Sie gab sich keineswegs geschlagen, aber ebenso wie an jenem ersten Abend fiel es ihr unendlich schwer, ihm zu widerstehen. Vielleicht lag es an der Einsamkeit der vergangenen vier Tage, oder aber sein unvermitteltes Auftauchen hatte sie komplett aus der Bahn geworfen; vielleicht lag es jedoch auch an der Wärme und dem überwältigenden Glücksgefühl, das sie bei seinem Anblick überkam.
Was auch immer der Grund sein mochte – ihre Entschlossenheit, Ian Noble zu widerstehen, schmolz mit jeder Sekunde, die sie ihm gegenüberstand.
KAPITEL 14
Sie trat aus dem Aufzug. Obwohl ihr die Diele von Ians Penthouse in den vergangenen Wochen vertraut geworden war, kam sie ihr heute fremd vor. So vieles hatte sich verändert, seit sie das erste Mal einen Fuß in sein Leben gesetzt hatte, nur ihre Ängstlichkeit war genau dieselbe geblieben.
»Hier entlang«, sagte er. Seine leise, heisere Stimme fühlte sich wie eine Liebkosung auf ihrer Haut an. Ihre Spannung und Neugier wuchsen mit jeder Sekunde,
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