Temptation: Weil du mich verführst
als sie ihm in die Bibliothek folgte, in der auch Ich bin die Katze, die frei umherstreifte hing.
Als er die Tür öffnete, um sie eintreten zu lassen, blieb ihr Blick als Erstes an der vertrauten Gestalt hängen, die mit dem Profil zu ihr mitten im Raum stand.
»Davie?«, rief sie, überrascht und schockiert, ihren besten Freund in dieser unerwarteten Umgebung zu sehen.
Davie grinste ihr über die Schulter zu und stellte das Gemälde ab, das er gerade aufhängen wollte, während ihr Blick wie ein Gummiball zwischen ihrem Freund und dem Bild hin und her sprang.
»O Gott, wo hast du das denn aufgestöbert?«, rief sie ungläubig und deutete auf das Gemälde – eine Studie des Wrigley Building, des Union Carbide Building und des gotisch anmutenden Meisterwerks am East Wacker Drive 75, das wie eine Rakete in den Himmel ragte. Sie war zwanzig gewesen, als sie es gemalt hatte, und hatte es für zweihundert Dollar an eine kleine Galerie in der Stadt verscherbelt. Es war ihr unendlich schwergefallen, sich davon zu trennen, aber damals hatte sie keine andere Wahl gehabt.
Ehe Davie etwas sagen konnte, drehte sie sich mit offenem Mund einmal um die eigene Achse.
All ihre Bilder säumten die Wände der Bibliothek. Davie hatte sie allesamt im Raum verteilt: sechzehn oder siebzehn Stück, an denen teilweise ihr ganzes Herz gehangen hatte, waren fächerförmig um Ich bin die Katze, die frei umherstreifte arrangiert. Sie hatte noch nie so viele ihrer Arbeiten auf einmal gesehen, weil sie alle aus Geldnot hatte verkaufen müssen, eines nach dem anderen. Und mit jedem war ein Teil ihres Herzens gestorben. Tief in ihrem Innern hatte sie sich stets für ihre Unfähigkeit gehasst, die Schätze ihrer Kreativität zusammenzuhalten und wie ihren Augapfel zu hüten.
Und nun waren sie alle hier, in einem Zimmer.
Der Anblick drohte sie zu überwältigen.
»Cesca«, hörte sie Davies gepresste Stimme und sah, dass sein Grinsen mittlerweile verflogen war.
»Hast du das getan?«, fragte sie mit schriller Stimme.
»Ja. Auf Anweisung«, sagte er mit einem vielsagenden Blick in Ians Richtung.
Ian stand im Türrahmen und sah ihr zu. Besorgnis schlich sich auf seine Züge und noch etwas anderes – etwas Traurigeres …
O nein. Gegen seine Arroganz konnte sie sich zur Wehr setzen, ebenso wie gegen seinen Kontrollzwang und gegen seine Art, anderen zu sagen, was sie zu tun und zu lassen hatten.
Aber nicht gegen diesen verängstigten, fast verlorenen Ausdruck auf seinem wunderschönen Gesicht. Es war zu viel für sie. Ihre Gefühle schlugen wie eine Woge über ihr zusammen.
Sie floh aus dem Raum.
»Ich mache das schon«, sagte Davie, als Ian sich umwandte und Francesca nachgehen wollte. Der gequälte Ausdruck auf ihren Zügen brach Ian das Herz. Er hasste es, sich so hilflos zu fühlen. Sein ganzes Leben lang hatte er sich mit Händen und Füßen gegen dieses Gefühl gesträubt. Doch nun musste er sich wohl oder übel damit arrangieren. Er zwang sich, im Türrahmen stehen zu bleiben, als Davie sich an ihm vorbeischob und Francesca folgte.
»Wie um alles in der Welt hast du das angestellt, Davie?«, fragte sie, als er eine Minute später das Atelier betrat. Sie war heilfroh, dass Davie ihr gefolgt war und nicht Ian. Er hatte ihr ihre Vergangenheit zu Füßen gelegt – woher hatte er gewusst, dass die Reste ihres Widerstands angesichts dieses Geschenks wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen würden?
Achselzuckend trat Davie an den Tisch, wo sie ihre Farben und Malutensilien aufgereiht hatte, zupfte ein Papiertaschentuch aus der Schachtel und reichte es ihr.
»Ian hat mir freie Hand gelassen, so viele Bilder zurückzukaufen, wie ich aufstöbern kann. Wenn man über diese Art von Ressourcen verfügt, ist das keine allzu große Kunst.«
»Diese Art von Geld, meinst du?« Francesca wischte sich die Tränen ab.
Davie warf ihr einen besorgten Blick zu. »Ich weiß ja, dass du und Ian nicht mehr zusammen seid, aber wir haben die Sache schon vor einiger Zeit ins Rollen gebracht … sogar vor eurer Reise nach Paris. Bist du sauer auf mich?«
»Weil du dich mit Ian zusammengetan hast?« Sie schniefte und lächelte freudlos.
»Ich habe lange überlegt, ob ich zusagen soll. Du weißt ja selbst, dass ich schon seit einer Ewigkeit hinter deinen alten Arbeiten her bin, weil ich dich für eine hochtalentierte Künstlerin halte. Das war der Hauptgrund, weshalb ich mich überhaupt bereit erklärt habe, Ian bei der Suche zu helfen. Nicht sein
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