Temptation: Weil du mich verführst
sie allein auf einer Bank in der Lobby von Noble Enterprises, die dank des beige-rosafarbenen Marmors, der Holzvertäfelungen und der beigefarben gestrichenen Wände eine Aura von moderner Zweckmäßigkeit, Luxus und Wärme zugleich verströmte. Der Wachmann in seinem Rondell in der Mitte der Lobby beäugte sie schon die ganze Zeit mit unübersehbarem Argwohn. Seit zwei Stunden saß sie hier, um das Nachmittagslicht an der riesigen Wand zu betrachten, wo bald ihr Gemälde hängen würde, und machte in regelmäßigen Abständen mit ihrem Handy Fotos davon.
Schließlich gelangte der Wachmann offenbar zu dem Schluss, dass sie nichts Gutes im Schilde führen konnte, und trat auf sie zu. Francesca erhob sich und schob das Telefon in ihre Tasche.
Sie hatte keine Lust, ihre Anwesenheit zu erklären. »Ich gehe ja schon«, sagte sie zu dem groß gewachsenen, jungen Mann, der sie wachsam, aber keineswegs unfreundlich musterte.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Miss?«, erkundigte er sich.
»Nein«, antwortete sie und wich zurück. Als er einen Schritt auf sie zutrat, als habe er nicht die Absicht, sie einfach gehen zu lassen, seufzte sie. »Ich bin die Künstlerin, die das Gemälde malt, das bald hier hängen soll«, erklärte sie mit einer Geste auf die große freie Fläche hinter seinem runden Arbeitsplatz. »Deshalb wollte ich mir das Licht hier noch mal genau ansehen.«
Der Wachmann musterte sie skeptisch. In diesem Moment fiel ihr Blick auf den Eingang des Restaurants. »Äh, wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich gehe nur noch kurz ins Fusion und sage Lucien Hallo.«
Einen Moment lang fürchtete sie, der Wachmann folge ihr, doch als sie auf die elegante Bar zutrat, stellte sie fest, dass die Glastüren hinter ihr noch immer geschlossen waren, und stieß einen erleichterten Seufzer aus.
»Francesca!«
Sie erkannte Luciens Stimme mit dem ausgeprägten französischen Akzent auf Anhieb.
»Hi, Lucien. Zoe! Hi, wie geht’s?«, begrüßte Francesca die bildschöne junge Frau, die sich bei der Cocktailparty so rührend um sie gekümmert hatte. Lucien und Zoe standen nebeneinander an der Bar. Es war drei Uhr nachmittags an einem gewöhnlichen Dienstag, und außer ihnen war weit und breit niemand zu sehen. Flüchtig registrierte sie den Anflug von Schuldbewusstsein auf ihren Gesichtern und wie Lucien, der den Arm um Zoes Taille gelegt hatte, sich eilig von ihr löste.
»Sehr gut«, antwortete Zoe und trat vor, um ihr die Hand zu schütteln. »Wie geht es mit dem Gemälde voran?«
»Auch gut. Allerdings macht mir das Licht ein wenig Sorgen. Ich habe zwei Stunden draußen in der Lobby gesessen und gerätselt, wie es im Tageslicht aussehen wird, und der Wachmann hat mich gewissermaßen verscheucht«, erklärte sie mit einem verlegenen Grinsen. »Ich habe mich hierhergeflüchtet in der Hoffnung, dass er mich nicht weiter verfolgt.«
Lucien lachte leise. »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte er und trat hinter die ausladende Bar aus Walnussholz. »Mineralwasser mit Zitrone, stimmt’s?«
»Genau«, bestätigte Francesca, angenehm überrascht, dass er sich ihr Lieblingsgetränk gemerkt hatte. Zoe setzte sich neben sie auf einen Barhocker und verwickelte sie in ein Gespräch über das Gemälde. Francesca bemerkte, dass Lucien eine Flasche Ginger Ale vor Zoe auf den Tresen stellte, ohne sich vorher zu erkundigen, was sie trinken wollte.
»Sie beide sind also zusammen, ja?«, fragte sie und nippte an ihrem Mineralwasser. Verblüfft bemerkte sie, dass die beiden erschrocken zusammenfuhren. »Ich meine, ich hatte den Eindruck, dass … keine Ahnung … ach, egal«, wiegelte sie eilig ab und stellte ihr Glas hin. »Lassen Sie sich von mir nicht durcheinanderbringen. Ich rede häufig dummes Zeug.«
Lucien brach in schallendes Gelächter aus, während Zoe vorsichtig lächelte. »Das ist nicht der Grund. Sie haben recht. Zoe und ich sind tatsächlich zusammen, aber wir versuchen, es nicht zu zeigen.«
»Warum das denn?«, wiederholte Francesca verwirrt.
»Ian, um genau zu sein«, erklärte Lucien, noch immer lächelnd.
»Ian? Wieso müssen Sie Ihre Beziehung vor ihm geheim halten?«
»Beziehungen zwischen Mitarbeitern von Noble Enterprises sind nicht gestattet, vor allem nicht zwischen Angehörigen und Nichtangehörigen des Managements.«
»Dabei erkläre ich Lucien schon die ganze Zeit, dass ich Assistant Manager bin«, ereiferte sich Zoe und warf Lucien einen finsteren Blick zu. Offenbar war dies ein häufig
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