Tender Bar
auszuruhen und für die letzte Saison in Form zu bleiben, lehnte McGraw Abend für Abend neben mir an der Theke in der Bar. Als ich ihn fragte, ob er meinen Rekord als häufigster Gast im Publicans in einer einzigen Saison herausfordern wolle, grinste er, dann zuckte er zusammen. Er rieb sich die Schulter und sah aus, als würde er gleich anfangen zu heulen. Irgendetwas stimmte nicht.
Zum ersten Mal hatte er es Anfang des Jahres gemerkt, bei einem Wurf. Ein leichtes Stechen. Der Ball driftete zur Seite, und da wusste er Bescheid. Er ignorierte diesen und alle weiteren Stiche, warf trotz der Schmerzen und stellte den Rekord auf, nur war der Schmerz jetzt unerträglich. Er konnte den Arm nicht mehr heben. Konnte nicht mehr schlafen. Tante Ruth hatte mit ihm mehrere Spezialisten aufgesucht, und alle attestierten ihm eine gerissene Rotatorenmanschette. McGraws einzige Hoffnung, jemals wieder werfen zu können, war eine Operation, und das wollte er nicht. Zu riskant, sagte er. Möglicherweise könnte er den Arm dann gar nicht mehr benutzen.
Und dann schockierte mich McGraw und gestand mir den wahren Grund, weshalb er keine Operation wollte. Ihm war die Lust am Baseball vergangen. »Ich bin es leid«, sagte er. »Ich bin es leid zu üben, ständig unterwegs zu sein, Schmerzen zu haben. Ich bin es einfach leid. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich je wieder einen Baseball anfassen will.«
In seinen letzten zwei Semestern am College, sagte McGraw, wolle er lesen, denken, seine Noten verbessern und vielleicht Jura studieren.
Jura? Ich versuchte meinen Schock zu verbergen. Als ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte, versprach ich McGraw, ihn zu unterstützen, egal wobei.
»Danke«, sagte er. »Aber du bist nicht das Problem.«
»Deine Mutter?«
Er trank einen Schluck Bier. »Ruth ist auf dem Kriegspfad.«
McGraw hatte seiner Mutter früher am Tag eröffnet, was er mir eben erzählt hatte, woraufhin sie ausgerastet war. Als wir nach Hause kamen, begriff ich, dass McGraw nicht übertrieben hatte. Tante Ruth war noch auf und wartete auf uns. In der Küche fing sie uns ab und fragte, ob McGraw mir von seinem Arm erzählt hätte.
»Ja.«
»Und was hast du gesagt?«
»Dass ich ihn unterstütze, egal, wie er sich entscheidet.«
Falsche Antwort. Sie hob die Hand und ließ sie auf die Küchentheke niedersausen, dass die Gläser im Schrank nur so wackelten. Ihr Blick huschte ruhelos umher, als suche sie nach einem Wurfgeschoss. Dann warf sie mit Wörtern um sich, den schärfsten, die ich jemals aus ihrem Mund gehört hatte. Ihr ganzes Geschrei der letzten vierundzwanzig Jahre schien nur eine Vorbereitung für diese Nacht gewesen zu sein. Sie beschimpfte McGraw und mich als Feiglinge, und zwar von der verachtenswertesten Sorte, weil wir nicht das Versagen, sondern den Erfolg fürchteten. Wir seien wie alle Männer in dieser Familie, sagte sie, und selbst in meiner Angst vor ihr tat sie mir leid weil ich merkte, wie viele Männer sie enttäuscht hatten, von ihrem Vater über ihren Bruder über ihren Mann und nun ihr einziger Sohn. Sie war untröstlich. Obwohl ich vor ihr zurückschreckte, fühlte ich mit ihr und verstand sie, weil sie nur das Beste für McGraw wollte, genau wie ich. Sie wollte nicht, dass er seinen Sport aufgab, nur weil er Schmerzen hatte. Sie wollte, dass er sich durch den Schmerz kämpfte und es weiter versuchte. Tante Ruth hatte sich wie meine Mutter ihr ganzes Leben durch Schmerz gekämpft. Jahrelang hatte sie schlechte Jobs und Armut und Enttäuschungen auf sich genommen, dazu das Elend, ständig wieder in Opas Haus zurückziehen zu müssen, und das Einzige, was sie am Laufen hielt, war manchmal nur die Hoffnung, dass ihre Kinder ein anderes Leben führen, dass ihre Kinder es besser haben würden. Nun wurde sie das Gefühl nicht los, dass McGraw genauso war, und das war für sie mindestens ebenso schmerzhaft wie seine Schulter. Als McGraw ihr eröffnete, dass er mit dem Baseball aufhören wolle, hörte Tante Ruth nicht nur seine Stimme, sondern einen ganzen Chor männlicher Stimmen, der sagte: »Ich will aufhören«, und deshalb brüllte sie ihren Kummer und Zorn aus sich heraus, bis ich schließlich aus der Küche floh, McGraw einen halben Schritt hinter mir.
Seine Mutter verstellte ihm den Weg. Er duckte sich unter ihre ausgestreckten Arme, aber sie drängte ihn mit dem Rücken an die Wand. Er senkte den Kopf wie ein Schläger, tat so, als würde er in den Seilen hängen, aber bei Tante Ruth gab
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