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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Gesprächsstoff unter den Männern. Und man musste schon viel trinken, wenn es im Publicans wahrgenommen, und noch mehr, wenn darüber geredet wurde.
    Doch Steve lobte McGraw nicht nur über den grünen Klee, er führte ihn auch ein in den Club der großen, starken Männer. Steve, selbst ein großer, kräftiger Mann, mochte Männer von seiner Statur, kam besser mit ihnen klar, und sein unbeschwerter Umgang mit McGraw ließ mich an die Verschwörung und Vormachtstellung großer, starker Männer denken. Ich war durchschnittlich groß, doch als ich an jenem Abend bei Steve und McGraw stand, flankiert von Cager und Bob the Cop, Smelly und Jimbo, kam ich mir vor wie ein Grashalm in einem Redwood-Wald.
    Steve fragte McGraw, ob der Starathlet denn auch Vorlesungen besuche. McGraw erbleichte. Er liebe den Unterricht, sagte er und erzählte von seinen Studien und Büchern mit einer Leidenschaft und Abwehrhaltung, die mich an Bob the Cop erinnerten. »In diesem Semester habe ich Schall und Wahn gelesen«, sagte McGraw. »Den ganzen Roman. Harter Stoff. Das Buch hat’s in sich. Zum Beispiel gibt es eine Stelle, in der Benjy seine Schwester Caddy erwischt, als sie es auf einer Reifenschaukel treibt. Der Professor ruft mich im Seminar auf und sagt: ›Was bedeutet diese Szene in Ihren Augen?‹ Und ich antworte: ›Sex in einer Reifenschaukel – das klingt beileibe nicht einfach‹, worauf der Professor meinte, ›aus der Perspektive hätte er Faulkner noch nie betrachtet.‹«
    Zwei Diskussionen gleichzeitig schlossen sich an, eine über Faulkner, die andere über Stahlgürtelreifen.
    Dieser Faulkner war ein ziemlicher Säufer, oder? Mein Chevy bräuchte dringend mal neue Winterreifen. Alle Schriftsteller sind Säufer. Was nehmen die heutzutage eigentlich für einen Satz neuer Reifen? Also, wenn man dazu bloß trinken muss, dann werde ich vielleicht auch Schriftsteller. Erst mal musst du lesen lernen, bevor du mit dem Schreiben anfängst, Schwachkopf. Was soll der Titel überhaupt bedeuten, Schall und Wahn? Ich glaube, bei Sears haben sie gerade welche von Firestone im Angebot. McGraw sagt, das ist von Shakespeare. Wenn sie da dauernd Sex in Autoreifen haben, sollte das Buch vielleicht eher Schall und Reifenprüfung heißen. Wie kann Firestone einfach so bei Shakespeare klauen? Du meinst Faulkner. Was hab ich gesagt? Firestone hast du gesagt, du Einstein. Das wäre ein guter Deckname – Firestone Einstein. Falls sie dich mal ins Zeugenschutzprogramm aufnehmen, kannst du dich so nennen. Er hat nicht bei Shakespeare geklaut – das nennt man einen literarischen Verweis. Hä? Ein Verweis ist doch so was wie ein Tadel. Ich muss aufhören zu trinken. Morgen seh ich mir bei Sears mal die Firestones an.
    Verdammt, ich erinnere mich an kein Shakespeare-Stück, das Schall und Wahn heißt.
    »Das ist aus Macbeth!«, hätte ich fast geschrien, aber ich wollte nicht der kleine Streber in der Ecke sein, der seinen Shakespeare auswendig kennt, also rauchte ich weiter, war beleidigt und hielt die Klappe.
    Als seine Krönung vorbei war, kam McGraw zu mir ans andere Ende der Theke, wo ich mich mit Bob the Cop unterhielt. »Dieser Kerl fährt also auf seiner Jacht vorbei«, sagte Bob the Cop gerade, »sieht die Leichen, die auf meinem Polizeiboot festgeschnallt sind, und ruft: ›was haben Sie als Köder benutzt?‹«
    McGraw und ich lachten. Als Bob the Cop loszog, um seine Spende in den Don-Fonds zu werfen, fragte McGraw, was es bei mir Neues gäbe. Ich rekapitulierte kurz die unglücklichen Vorfälle, angefangen bei Mr Salty über das Kelly-Debakel bis hin zu Sidneys Hochzeit und meine Nicht-Beförderung.
    »Brutal«, sagte McGraw. »Vor allem das mit Sidney. Sie ist deine Daisy Bohannon.«
    »Buchanan.«
    »Egal.«
    Ich war schockiert, dass McGraw den Gatsby gelesen hatte und sich daran erinnerte und auch noch darauf verwies. Er erzählte mir, dass auch er eine Daisy hätte, ein Mädchen am College, das mit seinem Herzen gespielt hatte. »Sie ist so schön, dass sie schon wieder hässlich ist«, sagte er. »Verstehst du, was ich meine?«
    Wir fragten Bob the Cop, als er zurückkam, ob es in seiner Vergangenheit auch eine Daisy gegeben hätte. Er wirkte ratlos. Ich nahm mir vor, ihm eine Ausgabe des Großen Gatsby mitzubringen. Ich benutzte sie weiß Gott nicht.
    Ich hatte mich darauf gefreut, in diesem Sommer mit McGraw zusammen zu sein, aber ich hätte nie erwartet, dass er in meinem Schatten wandelte. Statt Gewichte zu heben, sich

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