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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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ich in meinen Boxershorts herum, trank Bier und sah mir alte Cary-Grant-Filme auf einem handgroßen Schwarzweißfernseher an. Noch nie war ich so dankbar für meine zwei Zimmer über dem Diner. Die Gerüche störten mich längst nicht mehr, ebenso wenig die Tatsache, dass Dalton manchmal in meinem Bett döste, wenn ich nicht da war. Trotz aller Mängel war die Wohnung mein Zuhause, und deshalb traf es mich um so härter, als Don und Dalton mir eröffneten, sie wollten die Kanzlei vergrößern und bräuchten den Platz. Für ein paar Bücher half mir Bob the Cop beim Umzug zurück zu Opa.
    Das Haus war voll – Tante Ruth und mehrere Cousinen wohnten wieder da –, aber ich redete mir ein, das wäre nicht weiter schlimm. Ich sparte das Geld für die Miete. Ich war ein paar Schritte näher am Publicans. Und ich würde McGraw öfter sehen, der bald aus Nebraska kommen sollte, um den Sommer in Manhasset zu verbringen. Zum ersten Mal seit unseren Kindertagen würden wir wieder ein Zimmer teilen.
    Und das Beste: McGraw war endlich volljährig. Die Legislative des Staates New York hatte ihr denkbar Möglichstes getan, um McGraw vom Publicans fernzuhalten, und das Trinkalter immer dann nach oben verschoben, wenn er kurz vor einem Geburtstag stand. 1989 jedoch blieben die Gesetzmacher bei einundzwanzig stehen, was für McGraw, der gerade einundzwanzig geworden war, grünes Licht für die Bar bedeutete. An seinem ersten Abend zu Hause, eine Woche, nachdem ich wieder eingezogen war, ummantelten wir unsere Mägen mit einem von Omas gallertartigen Aufläufen, dieselten uns mit Duftwasser ein und sprinteten zur Bar. Ich hielt McGraw die Tür auf.
    »Nach dir.«
    »Nein, nach dir.«
    »Bitte.«
    »Ich bestehe darauf.«
    »Alter vor Schönheit.«
    Wir traten Seite an Seite ein. An der Theke ertönten Hurrarufe. »Wen-haben wir-denn da.«
    »Ach Bruder«, sagte Cager. »Das Erwachsenenschwimmen ist vorbei. Jetzt sind die Kleinen im Becken.«
    Die Männer nahmen Scheine von ihren Stapeln und winkten Onkel Charlie zu. »Du wirst von allen gedeckt.«
    Die Männer bestürmten McGraw mit Fragen. Was macht dein Arm, Junge? Hast du eine gute Saison? In letzter Zeit irgendwelche Farmerstöchter gevögelt? McGraw beantwortete jede Frage ruhig, geschickt, als gäbe er eine Pressekonferenz im Umkleideraum. Ich trat in den dunkleren Teil der Bar, der mir an jenem Abend noch dunkler vorkam, weil McGraw eine goldene Aura umfing. Er war ein Star im Nebraska-Team, und alle wussten, dass er einen Unirekord als einer der am häufigsten eingesetzten Pitcher in der Saison aufgestellt hatte. Onkel Charlie erkundigte sich nach jeder Einzelheit des Rekords. Wie viele Einsätze? Wie viele Einsätze hatte der vorherige Rekordinhaber verzeichnen können? Onkel Charlie prophezeite McGraw in drei Jahren eine Profikarriere. Bei der Vertragsunterzeichnung würde er ein fettes Handgeld bekommen, einen Sportwagen kaufen, in den unteren Ligen alles in den Schatten stellen, und über kurz oder lang würden wir uns alle im Publicans treffen, um ins Shea Stadium zu fahren, und mit eigenen Augen sehen, wie McGraw die Hitter der ersten Liga fertigmacht.
    Trotz des herzlichen Empfangs, den die Männer McGraw bereiteten, schienen sie nicht so recht zu wissen, wie sie diesen neuen McGraw nehmen sollten. Genau wie ich, waren sie stolz und eingeschüchtert zugleich. Ständig wechselten sie zwischen Veralbern, als wäre er noch zehn, und Verehrung, als wäre er ihr König. Bisweilen dachte ich, gleich würden sie ihm eine Krone aus Kirschstielen und Sektquirlen flechten. Cager war in Cu Chi durch Minenfelder marschiert, Bob the Cop in Brooklyn Kugeln ausgewichen, Fast Eddy mit 150 Meilen die Stunde auf die Erde geknallt, doch an jenem Abend traten alle vor McGraw zurück, weil er Baseballprofi wurde, und das war das Höchste. Noch mehr Respekt hätten die Männer ihm nur erwiesen, wenn er kurz davor gestanden hätte, der nächste Champ im Schwergewicht zu werden.
    Niemand verrenkte sich mehr vor McGraw als Steve. Er johlte, als er McGraw am anderen Ende der Theke sah und eilte auf ihn zu wie ein Linebacker, der einen mächtigen Fullback übers Feld jagt. »Schaut euch diesen Prachtburschen an!«, brüllte er. Steve hatte McGraw immer gemocht. Schon als kleiner Junge gelang es McGraw, Steve mit seinem unverwechselbaren Lachen zu entzücken, und im Sommer 1989 konnte Steve gar nicht genug Lachen bekommen. Die Sorgen wuchsen ihm über den Kopf Steves Alkoholkonsum war oft

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