Tenebra 1 - Dunkler Winter
ihn, wenn ich aus dem Dienst meines Lehnsherren desertieren und irgendwo in seinen Domänen auftauchen würde. Aus diesem Anlass würde er etwas Besonderes erfinden. Das Gleiche gilt für dich.«
Ich überlegte. »Wir könnten stattdessen nach Norden reiten. Raol würde den Weg nach Nordland wissen.«
»Vielleicht. Allerdings habe ich ein Gefühl, dass Raol nicht zuletzt geblieben ist, weil er nicht nach Haus gehen kann. Er hat so viel angedeutet. Im Nordland haben sie noch die Blutrache, weißt du.«
Ich wollte noch nicht von dem Gedanken lassen. »Ich glaube, wir würden den Weg auch allein finden.« Was er darauf sagen würde, wusste ich, noch ehe er schnaubte.
»Sicher. Ich wette mit dir, dass König Hald uns Nathan ausliefern würde, wenn der ihn darum ersuchte. Und wenn nicht, willst du dort wirklich leben?«
»Könnte besser sein als hier zu sterben.«
»Du bist noch nicht tot. Nicht ganz, obwohl ich keinen roten Heller für deinen Kopf gegeben hätte, wenn de Lacy im Gleichgewicht gewesen wäre, als er dir einen aufs Dach gab. Außerdem gilt noch immer der ursprüngliche Grund, diesen Ausflug zu unternehmen. Es ist, wie unser Lehnsherr sagte: Ein Mann ein Wort, und ich halte mein Wort. Und du wirst es auch tun, wenn du mein Knappe sein willst.« Er spähte wieder am Fuhrwerk vorbei nach vorn. »Ah. Mittagspause.«
Vielleicht hatte die Sonne ihren höchsten Stand erreicht; sehen konnte man es nicht. Jedenfalls hatte Schwester Winterridge einen guten Halteplatz gefunden. Es war eine einigermaßen geschützte Mulde, die von einem Bach geschaffen worden war, der sie durchfloss. Der Fahrweg kreuzte den Bach durch eine steinige Furt. Raol lenkte das Fuhrwerk beiseite und machte sich daran, es zu untersuchen. Auf einem flachen Stück Fels hatte Schwester Winterridge ein Feuer in Gang gebracht, die Götter wussten, wie, und steckte einige ausgenommene Fische auf Stecken, um sie am Feuer zu braten. Sie musste die Fische gefangen haben, während sie auf uns gewartet hatte. Ihr Pferd weidete zufrieden am Bachufer.
Ich klappte die Heckplanke herunter und glitt vom Fuhrwerk. Mich schwindelte, aber ich konnte stehen, wenn ich mich am Wagen festhielt. Raol kam vorbei, warf mir einen zweifelnden Blick unter gerunzelten Brauen zu, dann zog er eine kleine Sichel aus dem Gerät im Wagen und begann das üppige Gras am Bachufer zu schneiden, um es den Ochsen vorzuwerfen, denen er das Joch abgenommen hatte. Schwester Winterridge füllte einen Kessel am Bach und hängte ihn am Dreibein über das Feuer. Dann schlenderte sie herüber. »Auf den Beinen, wie ich sehe. Was macht Ihr Kopf?«
»Er ist noch da. Ich glaube nicht, dass er mehr Löcher als vorgeschrieben aufweist.«
»Hm.« Sie beugte sich näher, zog meinen Arm hoch und schnüffelte darunter, während ich vor Schmerz erschrocken grunzte. »Keine Angst, ich will nachprüfen, ob die Wunde vergiftet ist, nicht, ob Sie ein Bad brauchen. Was übrigens der Fall ist.«
»Ich bekomme jetzt eins. Ist sie es?«
»Vergiftet? Nein. Im Großen und Ganzen sieht es sehr gut aus. Warten Sie eine Weile hier. Raol wird Sie ein Stück den Bach abwärts führen, wenn Sie müssen.«
Sie kehrte zum Feuer zurück und drehte ihre Stecken mit den aufgespießten Fischen. Aus dem nässenden Nebel drangen dumpfe, langsame Hufschläge und von rechts kamen zwei Reiter in Sicht. Sie waren abgebogen, als sie auf den Wasserlauf gestoßen waren. Wenig später kamen zwei andere von links.
Ich muss sagen, dass der elegante Ritter und sein Knappe und auch die Söldner jetzt passender aussahen. Sie waren einfach beritten, trugen schlichte Umhänge und hatten die Spangenhelme zugunsten von Topfhelmen mit Filzkrempen abgelegt, die ihnen den Regen aus den Gesichtern hielten. Sobald sie auf die Leeseite des Fuhrwerks kamen, saßen sie ab, zogen die Filzkrempen von den Helmen und schlugen das Wasser heraus. Sie wirkten müde und durchnässt.
Ich sah in den Wagen, fand einen Schöpfeimer und schaufelte geschälte Haferkörner aus einem Sack. Der Kessel über dem Feuer begann zu dampfen. Ihn zu erreichen, war nur mäßig erschöpfend, aber ich hatte das Gefühl, dass alle Blicke auf mir lagen. Ich hielt der Schwertjungfrau den Schöpfeimer hin, sie nahm ihn, wartete, bis das Wasser kochte, danach goss sie ein wenig davon in einen Zinnkrug und stellte ihn beiseite. Dann schüttete sie die Haferkörner in den Rest des Wassers, fügte Salz hinzu und rührte um.
Daraufhin zog sie die kleine Metallflasche
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