Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tenebra 1 - Dunkler Winter

Tenebra 1 - Dunkler Winter

Titel: Tenebra 1 - Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Luckett
Vom Netzwerk:
war Ser Eumas zehn Schritte von seinem Posten entfernt, was gut war. Ich sah ihn nicht, bis er zischte, obwohl er ganz in der Nähe sein musste. Ich wünschte ihm mit einer matten Geste gute Nacht, fand ein Grasbüschel, das trockener als die meisten war, und setzte mich unter meinem ausgebreiteten Umhang zwischen die Ginsterbüsche. Ein leises Zusammenschlagen von Kieselsteinen gab mir einen gewissen Anhaltspunkt für Huberts Standort, obwohl ich ihn nicht sehen konnte. Er war jemand, der sich von Natur aus still verhielt. Ich bin es nicht, aber wenn es sein muss, kann ich es auch. So begann meine Wache.
    Man lernt im gleichmäßigen Gurgeln und Glucksen eines Baches Fremdgeräusche herauszufiltern. Tiere machen Geräusche nur aus einem Grund, und oft tun sie es in Gruppen. Schatten bewegen sich in bekannter Weise, und der Wind macht seine eigenen Geräusche, die man ihm zuordnet und aus der Aufmerksamkeit entlässt. Man blickt nach außen, denn sogar das trübe Glimmen der Glut des niedergebrannten Feuers beeinträchtigt die Nachtsicht. Man verhält sich ruhig und still.
    Eine Stunde verging. Man nennt es eine Wache, aber es ist hauptsächlich ein Lauschen. Man konzentriert sich auf Abweichungen von den gewöhnlichen Geräuschen der Nacht wie dem Quaken von Fröschen in einem Moortümpel, den Tropfen, die von nassen Ginsterzweigen fallen. Wassergeräusche beachtet man nicht, denn sie bilden den Hintergrund. Ich machte es genauso und musste dafür bezahlen.
    Es war ein unbestimmtes Schmatzen, als hätte sich am Bach ein kleiner Wirbel gebildet, um kurz darauf wieder zu verschwinden. Eine nasse Oberfläche, die über eine andere glitt, dann ein gedämpftes Platschen. Ich hatte es schon eine Weile lang gehört und nicht bewusst wahrgenommen, hatte es als eines der Wassergeräusche vom Bach abgetan. Das Schmatzen wiederholte sich. Vielleicht ein Otter, dachte ich. Beim Tauchen - und wenn sie die Oberfläche durchstoßen - entstehen solche Geräusche. Keine Forelle, nicht bei Nacht. Ich lauschte und konnte mir darüber nicht schlüssig werden.
    Dann brach das monotone Quaken der Frösche schlagartig ab und etwas Anderes wurde hörbar. Etwas bewegte sich in der nassen Dunkelheit.
    Stille. Dann wieder. Ein nasses gleitendes Geräusch, ein gedämpftes Platschen und Schmatzen. Jemand dort draußen ging sehr langsam und gleichmäßig und trug ein Paar wassergefüllter Stiefel.
    Niemals darf man einen sich nährenden Unbekannten anrufen, solange man ihn nicht sieht. Das möchten sie. Sie möchten, dass man sich verrät, ihnen sagt, wo man ist. Ich hatte einen Jagdspieß mitgebracht, hauptsächlich, weil ich mein Schwert nicht befeuchten wollte; es steckte sicher in der geölten Scheide unter dem Umhang. Und die zusätzliche Reichweite ist immer nützlich. Ich hielt den Kopf gesenkt, regte mich nicht und schob den Spieß vorsichtig in die Richtung der Geräusche, dass die Spitze zwischen mir und ihnen war. Wieder ein Schmatzen, Gleiten und Platschen, Geräusche durchnässten Leders. Dann eine Pause.
    Nun sah ich es, und es war ein Augenblick der Erstarrung, der sich in die Unendlichkeit dehnte. Ich konnte nicht schreien. Sollte es tun, konnte es aber nicht. Meine Zunge schien am Gaumen zu kleben, mein Herz stillzustehen. Auf einmal ging etwas in meiner Brust auf, und mein ganzer Körper, der in atemloser Anspannung verharrte, erschlaffte plötzlich. Mein Magen wurde eiskalt, meine Gedärme bebten, drohten sich zu entleeren. Der grünliche Schein eines Irrlichts umspielte es wie kaltes Feuer. Es wandte sich zur Seite, weil es mich spüren konnte. Es wusste, dass ich da war, zwischen den Ginsterbüschen kauerte, warm in der kühlen nassen Nacht. Es kannte nur die Nässe und Dunkelheit, die Dinge, die zum kalten Boden unter den Wurzeln der lebenden Welt gehörten. Es gehörte nicht dorthin, noch nicht. Aber es würde Abhilfe schaffen. Es hasste mich. Es hasste mich, weil ich lebendig war, es selbst aber tot. Weil ich sterben konnte und es nicht.
    Seine Augen waren geschlossen. Es brauchte keine Sicht. Ein Gesicht wie aus verrottetem Leder, eine scharfe Hakennase, der Mund eine dünne Linie. Eine unter dem Kinn verschnürte lederne Kapuze von der gleichen Farbe wie das tote Gesicht, Lumpen, die vom Fleisch hingen, das sich in Fetzen von den Knochen löste. Eine breite, bronzegrüne Klinge in einer Faust wie aus Pergament, und klobige Stiefel, in denen das Wasser und die Flüssigkeit verwesenden Fleisches schwappte und

Weitere Kostenlose Bücher