Tenebra 1 - Dunkler Winter
allzu sehr. Ferner gab es einen ausgefahrenen Feldweg zu sehen, der hauptsächlich aus tiefen Spurrinnen und Huf spuren bestand, und ringsherum die rostbraunen Farbtöne des Moores. Als ich die Fährten zwischen den Spurrinnen genauer betrachtete, sah ich, dass einige von Pferden herrührten, andere von Ochsen, und dazwischen lag eine menschliche Fährte.
Heide und Moore. Wir zogen über die Hochmoore. Und gestern Abend hatten sie Reisig von Stechginster verbrannt. War das gestern Abend gewesen? Wir mussten schon einige Tage über die Moore gezogen sein.
Ich stemmte mich mit einer Hand hoch, kroch zum Heck des Wagens, steckte den Kopf hinaus und blickte nach oben. Regentropfen schlugen mir ins Gesicht. Erfrischend, solange der Rest trocken blieb. Ich ermahnte mich, die schützende Plane nicht zu berühren.
Nachdem ich mir das Wasser aus den Augen gewischt hatte, überblickte ich den Rest der Szene.
Silvus hatte mich nicht bemerkt. Fluchend zerrte er einen Pferdeumhang aus einer Satteltasche und drapierte ihn über sich selbst und sein Reittier. Es war geöltes Leinen von der Farbe erkalteter Asche und passte zum Rest des Tages. Zu beiden Seiten breiteten sich die Moore aus, braun und graugrün, außer wo das Gesprenkel blau blühenden Sumpfwurzes und vergilbten Röhrichts Sumpflöcher anzeigte. Wolken hingen tief über der nassen Erde, einförmig in ihrem trüben Grau, und zogen Regenvorhänge über das Land.
Das Fuhrwerk schwankte, und ich wurde auf eine Seite geworfen, dann auf die andere. Braunes Torfwasser spritzte trotz unserer langsamen Fahrt aus der tiefen Lache. Von vorn kam ein trauriges Muhen. Ich sah mich um und entdeckte, dass der Fahrersitz auf dem Kutschbock leer war.
Ich wurde unruhig. Was hatten wir, alles zusammengerechnet? Silvus ritt Nachhut auf einem gewöhnlichen Gaul. Das Fuhrwerk wurde von Ochsen gezogen und der Kutscher ging vermutlich neben ihnen. Sonst war hinten niemand in Sicht, aber nach den Fährten zu urteilen, wenigstens zwei Reiter voraus. Wo aber waren die anderen? Und wie konnte ich diese Folgerungen nachprüfen? Eine kurze Überlegung lieferte die Antwort. (Sprung in der Schüssel? Wer, ich?) Ich kroch wie ein Kleinkind vorwärts, arbeitete mich über Säcke, Kisten und Ballen und spähte über den Kutschbock.
Ja. Über die Rücken der beiden im Joch gehenden Ochsen hinweg sah ich weiter voraus drei undeutliche Gestalten zu Pferde. Nur eines der Pferde war groß wie ein Schlachtross; die anderen waren gewöhnliche mittelgroße Reit- oder Arbeitspferde, aber auf der zottigen und stämmigen Seite. Neben den Ochsen stapfte der Kutscher dahin, einen Treiberstock in der Hand und in einen Umhang gehüllt. Der Fahrweg, dem wir folgten, war nicht mehr als eine Fahrspur im niedrigen Gesträuch - Stechginster und Heidekraut und Krüppelbirken, soweit man im trüben Regendunst sehen konnte.
Der Regen verstärkte sich und trommelte auf die Plane. Ich zog mich wieder zu meinen Decken zurück. Wir Invaliden müssen uns vor Nässe hüten, sonst bekommen wir das Lungenfieber.
Wir Invaliden sollten uns auch nicht sorgen, aber das schien gegenwärtig unmöglich zu sein. Wo waren die anderen alle? Ich hatte vier gezählt. Der Graf, ja, das war der auf dem großen Pferd, und sein Knappe Hubert war vermutlich der andere neben ihm. Raol war der Kutscher, und Silvus bildete den Schluss. Wo waren die anderen?
Ich sah mir die Ladung an. Da gab es verschiedenes Gerät, ein paar Säcke mit Hafer, andere mit gutem Häcksel. Zwieback, Mehl, Pökelfleisch, Schinken, einige geräucherte Würste, ein Rad Käse. Getrocknete Bohnen, Zwiebeln. Als Proviant für zehn Mann, der vielleicht eine Woche ausreichte. Je nachdem. Auf den Mooren lebten wilde Ziegen und verwilderte Schafe, und es gab Farnwurzeln und ein paar andere Dinge. Im braunen Moorwasser der Bäche sicherlich auch Fische, wenn man Geduld und Netze besaß. Soviel erinnerte ich.
Nach einiger Zeit ließ der Regen wieder nach, doch ließ er einen nässenden kalten Nebel zurück. Zeit, einige meiner Wissenslücken zu schließen. Ich kroch nach hinten, steckte den Kopf durch die Plane und blickte über die Heckklappe hinaus. Diesmal sah Silvus mich. Er gab seinem Pferd die Sporen und kam im Handgalopp heran. Unnötig, dachte ich. Er würde das langsame Fuhrwerk auch im Trab rasch eingeholt haben, ohne das Pferd zu ermüden. Ich stützte die Ellbogen auf die Heckklappe, ließ das Kinn auf den Händen ruhen und wartete auf ihn. Die Stöße
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