Tenebra 2 - Dunkle Reise
Suche bis dorthin ausweitete, wo wir nach Westen abgebogen waren. So viel Zeit würde er nicht haben, weil unser Vorsprung inzwischen uneinholbar groß geworden wäre.
»Hast du Grames beobachtet?«, fragte ich Silvus, als ich die Arbeit beendet hatte.
»Wie einer von Ariennes Falken. Nichts. Er saß auf dem Pferd und scheute jede Berührung mit den Sträuchern und dem Boden, als ob sie mit Gift bestrichen wären.«
»Und als er vorhin austreten ging?«
»Der Boden war hart, und er kam gleich zurück. Hatte sogar seine Fußabdrücke verwischt. In einer Stunde würde nicht einmal ein Fährtenleser aus dem Norden etwas sehen. Und wir wissen, dass sie Stunden, wahrscheinlich aber Tage hinter uns sein müssen.«
»Dann ist er also kein Risiko.«
»Beobachte ihn trotzdem. Wenn ich daran denke, dass er unsere Fährte markiert haben könnte…«
»Er lief auch vor Barras davon«, meinte ich.
»Gewiss. Aber Grames mochte sich dabei gedacht haben, er könnte Arienne wieder umstimmen. Das mag sein Beweggrund gewesen sein, dass er uns folgte. Aber jetzt…«
»…weiß er, dass er es nicht kann«, vollendete ich den Satz, und es war die Wahrheit.
Silvus nickte zustimmend, und ich fühlte wieder diese kleine sprudelnde Quelle unter meinem Brustbein. »Nein, er kann es nicht. Aber es ist möglich, dass er einen Reserveplan hat, für alle Fälle. Zum Beispiel den, dass er Georghe zu uns führt und sich dadurch wieder bei ihm beliebt macht. Also müssen wir ihn weiter beobachten. Einstweilen kommt es darauf an, auf dieser Straße so weit von unserem alten Kurs wegzukommen wie möglich.«
»Mir soll es recht sein.«
Die Erbauer der alten Straße hatten ihr Handwerk verstanden. Sie führte in eine allgemein südwestliche Richtung, umging Hügel und sumpfige Talsenken, führte aber geradeaus, wo es möglich war. Sie war überwachsen und nicht viel ebener als das übrige Terrain, weil die Verwitterungsprozesse wie Auswaschungen und Hangabrutschungen auch vor ihr nicht Halt gemacht hatten. Doch war der Boden im Allgemeinen härter, und stets wählte sie die leichteste Steigung und das beste Durchkommen. Vor allem aber wussten wir, wohin sie führte: zum Orimentpass und weiter in die westlichen Küstenländer, wo der Orden herrschte. Und jeder Schritt entfernte uns jetzt weiter von Nathan. Wir beschleunigten das Tempo so weit wie wir und die Pferde es durchhalten konnten. So kamen wir gut voran.
Zur Mittagszeit hatten wir genug. Trotz der guten Schuhe, die im Bach allerdings gründlich durchnässt worden waren, hatte ich wunde Füße, und auch Arienne zeigte Anzeichen von Ermattung. Wir schlugen unser Lager auf – das letzte ohne ein Lagerfeuer, hoffte ich. Der Tag hatte schön und kühl begonnen, und nichts deutete auf mehr Regen hin, aber allzu lange würde es nicht vorhalten. Nicht im Herbst in den westlichen Marken. Ein Lagerfeuer hatte immer etwas Anheimelndes, Tröstliches, ob mit oder ohne Deckenrollen.
Trotzdem war der Schlaf wie das Fallen vom Rand der Welt.
KAPITEL XI
Dilvus erwachte, ächzte, reckte sich und blieb entspannt liegen. Er sah, dass ich ihn beobachtete; ich war seit einer guten halben Stunde wach. Grames und Arienne schliefen noch.
»Guten Abend«, sagte ich mit halblauter Stimme.
»Das ist es, nicht? Jeder Abend, an dem du aufwachst und Barras nicht da ist, ist ein guter Abend.«
Ich lächelte ein wenig schief bei der Erinnerung an das letzte Mal, als ich erwacht war und Barras gesehen hatte. »Wollen wir versuchen, noch ein paar Meilen zu marschieren, bevor es dunkel wird?«, fragte ich. Die Gefahr, dass wir in der Dunkelheit die Straße verlieren würden, war zu groß, um einen Nachtmarsch zu riskieren.
Er rieb sich das Gesicht und überlegte. »Wir können uns einen verlängerten Abend zum Ausbessern unserer Sachen und einen guten Nachtschlaf leisten, bevor wir weitergehen«, sagte er. »Wir kennen jetzt den Weg und müssen die Pferde nach Möglichkeit schonen. Hier herum gibt es gutes Gras für sie.«
Es war früher Abend, die Sonne noch nicht untergegangen. Bis zur Mittagsrast hatten wir ungefähr fünf Meilen zurückgelegt. Unser Lagerplatz befand sich auf einer kleinen Wiese in einer flachen Senke zwischen den Hügeln. Am Boden der Senke hatte sich ein sumpfiger Tümpel gebildet, der von einem kleinen Wasserlauf gespeist wurde. Ein Rinnsal führte auch wieder hinaus und durch eine selbstgegrabene Rinne talwärts. Die überwachsene alte Straße überquerte diesen Wasserlauf knapp
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