Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
waren die Verluste den Invasoren weitgehend egal, oder sie hatten schlicht wichtigeres zu tun. Nach einer weiteren Stunde war sich Tooma einigermaßen sicher, dass ihnen niemand auf den Fersen war. Sie wies Dolcan an, den Kurs zu ändern und zur Fluchtfestung zurückzukehren. Es galt zu entscheiden, was das Vorgehen der Invasoren für Konsequenzen für die Flüchtlinge hatte. Alles in Rahel brannte darauf, den Kampf gegen den Feind aufzunehmen, aber sie war klug genug, um zu erkennen, dass blinde Wut ein schlechter Ratgeber war. So abstoßend die Praktiken der Tentakel auch waren, jetzt musste auf die Sicherheit der kleinen Flüchtlingsgruppe besonderer Wert gelegt werden. Was sie in dem Lager gesehen hatte, stellte eindringlich dar, was passieren würde, wenn jemand lebend in die Hände der Aliens geriet. Im Grunde genommen war bereits der Angriff auf den Stützpunkt ein unkalkulierbares Risiko gewesen.
Dennoch fühlte sie sich besser. Oder auch nicht. Der immer noch in ihren Adern tobende Drogencocktail machte eine genaue Beschreibung ihres Gefühlslebens schwierig, wenn nicht unmöglich.
Der Flug verlief schweigend. Dolcan machte den einen oder anderen Ansatz, über das zu reden, was passiert war, aber bevor er ein Wort herausbringen konnte, warf er immer einen kurzen Blick auf Rahels Gesicht. Der Ausdruck darin, diese seltsame Mischung aus kalter Wut, Erschöpfung und Trauer, hielt ihn davon ab, mit dem Thema anzufangen, obgleich ihm vieles auf den Lippen brannte. Die Tatsache, dass die Invasoren offenbar bestrebt waren, jede Ressource zu nutzen – inklusive der gefangenen Menschen – ließ diese Aliens noch weitaus fremder erscheinen, als sie ohnehin schon waren. Darüber hinaus ergaben sich zusätzliche Fragen: War überhaupt so etwas wie eine sinnvolle Kommunikation denkbar? Würde man eine gemeinsame Grundlage für Verhandlungen oder auch nur den Austausch von Schmähungen finden? Bisher schien der Feind nicht kommuniziert zu haben, aber niemand konnte so genau wissen, ob die Flotte nicht doch Kontakt zum Gegner aufgenommen hatte. War dabei möglicherweise etwas gründlich schief gelaufen, so dass die Tentakel jetzt zu so brutalen Mitteln in ihrer Besetzung griffen? Dolcan konnte sich nichts vorstellen, was eine solche Reaktion gerechtfertigt hätte, aber er hatte sich auch die bloße Existenz intelligenter Außerirdischer nicht vorstellen können, so dass seine eigenen Begrenzungen nur wenig über die Realität dort draußen aussagten.
Er hätte sich gerne mit Tooma zu diesem Thema ausgetauscht, und sei es nur auf der Basis wilder Spekulationen, aber der Marechal war sichtlich nicht an einem Gespräch interessiert.
Als sie sich der Fluchtfestung näherten, reduzierte Dolcan die Geschwindigkeit. Es war Morgendämmerung, der Umweg, die Vorsicht des Flugplans, all das hatte dazu geführt, dass der Rückflug lange gedauert hatte.
Tooma hatte kein Auge zugemacht. Jetzt rieb sie sich über die Lider und blickte auf den Bildschirm vor ihr, der das Bild des Hangars zeigte.
Das war schlecht.
»Das Hangartor ist sperrangelweit offen«, murmelte Dolcan unbehaglich. »Haben sie unsere Ankunft bemerkt?«
»Selbst dann wäre es unverantwortlich. Die Tarnung des Tors funktioniert nur, wenn es geschlossen ist«, wandt Tooma ein. »Ich habe ausdrücklich angeordnet, dass es geschlossen bleiben soll, bis wir das vereinbarte Signal absetzen. Haben Sie es gesendet?«
»Nein, ich wollte damit warten, bis wir unmittelbar vor der Festung gelandet sind.«
Tooma nickte. Sie hatte von dem pflichtbewussten Mann auch nichts anderes erwartet.
»Dann ist es eine mechanische Fehlfunktion«, mutmaßte der Pilot nun. Aus dem Unbehagen in seiner Stimme war Furcht geworden.
»Möglich, aber nicht wahrscheinlich«, sagte Tooma leise. »Wir landen. Aber nicht im Hangar. Auf der Felszunge davor. Ich möchte, dass der Executor startbereit außerhalb der Festung bleibt.«
»Sie denken doch nicht …«
»Landen!«
Dolcan verstummte. Der Executor setzte sanft auf, trotz der krampfhaft um den Steuerknüppel gefalteten Hände des Piloten. Kommentarlos öffnete Tooma die Rampe und bedeutete Dolcan, an seinem Platz zu bleiben.
Bereits als sie den ersten Schritt in den Hangar trat, erkannte sie die Spuren des Kampfes. Die eingestanzt wirkenden Löcher in den Metallwänden des Raumes wiesen auf die Körperwaffen der Tentakel hin.
Ihre Kehle schnürte sich zu.
Der Feind war hier gewesen!
Zwei Schritte in das Innere der Station lag die
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