Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
ohne großes Zögern fortgesetzt – und der Schlagabtausch war heftig gewesen. Letztendlich war die materielle Überlegenheit des Systemgeschwaders wohl ausschlaggebend gewesen. Das Dauerfeuer hatte die durchaus effektiven Verteidigungsmaßnahmen des Angreifers bald gesättigt, und dann waren Salve auf Salve auf den Körper des Schiffes eingeprasselt. Es hatte daraufhin keine fünf Minuten gedauert, bis aus dem angreifenden Fremdschiff ein Haufen glühender Schlacke geworden war. Offenbar hatten die Verteidiger den Befehl erhalten, eine vollständige Zerstörung so weit es ging zu verhindern, um aus dem Wrack Erkenntnisse ziehen zu können, doch da hatte der Bogey nicht mitgespielt.
Als er seine letzte Waffe verloren und jede Manövrierfähigkeit eingebüßt hatte, war der letzte Akt angebrochen: In einer hellen Blume verging das Schiff, lautlos und endgültig. Ob es sich tatsächlich selbst vernichtet hatte oder eine nicht mehr zu stoppende Kettenreaktion beschädigter Aggregate die Ursache gewesen war, würde sich niemals zweifelsfrei sagen lassen. Vielleicht würden die Experten dazu etwas ausführen können, nach Auswertung aller Aufzeichnungen und mit genügend Zeit.
Die hatten sie aber nicht mehr.
Es hatte keine halbe Stunde gedauert, nachdem die Telemetriedaten des Kampfes auf Lydos angekommen waren, da hatte der Long Range Array der Systemüberwachung bereits Alarm geschlagen. Und diesmal ging es nicht nur um ein fremdes, feindliches Schiff, das die Erfassungsgrenzen überschritten hatte.
Diesmal handelte es sich um eine Flotte.
Hunderte von Schiffen.
Die Datenzähler revidierten die Zahl permanent nach oben. Als sie aufhörten zu zählen, waren es mehr als Tausend, exakt 1316, und mehr als die Hälfte deutlich größer als der erste Angreifer.
Ein gutes Dutzend groß wie die Liner der Handelsfamilien, wenn nicht noch größer. Tooma vermutete, dass Atkinson diese Daten schon vorher gehabt, jedoch die Erkenntnisse für sich behalten hatte, um eine frühzeitige Panik zu vermeiden.
Als die Zahl bekannt gegeben worden war, hatte sich eine ungläubige Stille über das Militärnetz gesenkt. Dann war die befürchtete Panik ausgebrochen, Geschrei, Flüche, sinnlose Befehle, hysterische Forderungen. Von militärischer Disziplin war keine Rede mehr. Die kläglichen Aufrufe der Vorgesetzten waren im Chaos untergegangen.
Rahel hatte zu diesem Zeitpunkt abgeschaltet.
Auch sie hatte dann erst einmal nichts mehr gesagt, und so saß sie immer noch still im Lexington, als Nedashde schließlich das Wort ergriff.
»Das ist … schlecht.« In ihrer simplen Feststellung waren doch Frage und Hoffnung impliziert. Letztere wollte ihr Rahel nicht nehmen, denn in ihrem eigenen, begrenzten Verfügungsbereich konnte sie keine Panik gebrauchen.
»Sehr schlecht«, bestätigte sie dann mit rauer Stimme. »Aber man kann so etwas überleben!«
»Sie werden landen!« Schon wieder eine Feststellung, eine Frage und eine Hoffnung.
»Ich gehe davon aus«, meinte Rahel und wies auf ihre Rüstung. »Ich bin von Anfang an davon ausgegangen. Das erste Schiff war ein Scout. Jetzt kommt die Flotte. Was wollen sie hier, wenn nicht die einzig lebensfreundliche Welt des Systems?«
»Dann können wir das nicht überleben.« Keine Frage und keine Hoffnung mehr.
»Doch, das können wir. Invasionen sind ein massives und brutales Mittel der Okkupation, aber dies ist ein Planet . Er ist groß. Wir kennen ihn. Die kennen ihn nicht. Und das gilt noch einmal besonders für die Dschungelebene.«
Rahel warf Nedashde einen scharfen Blick zu. »Du willst jetzt schon aufgeben? Dich der Gnade der Invasoren ausliefern?«
»Wir wissen doch gar nicht, ob sie wirklich landen werden«, begehrte die junge Frau auf. »Vielleicht werden sie alles zubomben und dann warten, bis alles vorbei ist und die Reste einsammeln.«
Rahel nickte. »Natürlich. Admiral Sikorsky hat das ja während der letzten Kolonialkriege vorgemacht. Und was hat es ihm gebracht? Eine total zerstörte Infrastruktur und zahllose Gefahren für seine eigenen Landetruppen. Nun, ich will deine Theorie nicht völlig ausschließen, denn wir wissen nicht, wie die da oben ticken. Aber wir sollten erst einmal nicht davon ausgehen. Selbst wenn, die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Bombenteppich über ein paar vereinzelte Gehöfte legen, ist ausgesprochen gering. Die Hauptstadt, gut, vielleicht. Aber hier?«
Nedashde schien bereit zu sein, sich Rahels Urteil anzuschließen.
Sie wirkte nicht
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