Tentakel-Trilogie 3: Tentakelsturm
besser viel tragen, damit sie nicht wehtun. Entgegen landläufiger Meinung hilft es übrigens nicht, reinzupinkeln.«
»Die Absicht hatte ich nicht«, murmelte Leon und nahm die Stiefel an sich. Diese konnte er dank Adhäsionsflächen einfach an die Tragetasche heften. Als er zudem feststellte, dass die Tasche sich per Knopfdruck in eine Art Trolley verwandeln ließ, sah er dem Transport mit Gelassenheit entgegen.
»In der Tasche finden Sie übrigens auch Ihre weiteren Dienstgradabzeichen … äh … Caporal. Wenn Sie die Uniform anhaben, achten Sie bitte darauf, die korrekten Abzeichen zu tragen.«
Leon nickte.
Es knallte wieder vernehmlich, als der Sergent schließlich drei weitere Magazine für Leons Waffe hinlegte.
»Das sollte erst mal reichen. Sie bekommen von mir einen Plan aller Munitionsdepots in der Stadt. Es gibt einige, die nicht personell besetzt sind, an versteckten Orten. In Ihrem Standardkommunikator finden Sie einen Code, mit dem Sie diese Depots öffnen können. Sie enthalten im Regelfalle auch weitere Nahrungsmittel, medizinische Versorgungsgüter, Kampfausrüstungen und wichtige Werkzeuge.«
Leon räusperte sich.
»Ja?«
»Das mit der Ersten Hilfe … ich meine, ich habe da mal einen Kurs gemacht, aber das ist echt lange her. Ich weiß gar nicht genau, was ich mit dem ganzen medizinischen Zeugs anstellen soll.«
Dem Soldaten war das sichtlich egal. »Es gibt einen animierten Grundkurs auf Ihrem Kommunikator. Außerdem können Sie einen richtigen Kurs machen, wenn Sie Zeit dafür haben. Aber ich rate Ihnen vor allem, so bald wie möglich mit Ihrer Waffe Schießübungen durchzuführen. Schon mal eine Runde gefeuert?«
Leon schüttelte den Kopf. »Dafür hatte ich bisher keine Zeit. Ich arbeite …«
»Tun Sie es bald!«, unterbrach ihn der Sergent. »Sehr bald! Ihre Arbeit wird in Kürze nicht mehr die Bedeutung haben, die Sie ihr jetzt noch zumessen.«
Die Bestimmtheit, mit der der Sergent das sagte, erschreckte Leon. Der alte Veteran schien felsenfest von der nahenden Landung von Bodentruppen überzeugt zu sein. Leon hatte diesen Gedanken immer wieder verdrängt, wie so viele andere auch.
»Ja«, sagte er. »Das werde ich tun.«
Der Sergent maß Leon mit einem langen Blick.
»Sie wissen gar nicht, was Sie im Falle des Falles tun sollen, nicht wahr?«
Leon zuckte mit den Schultern. »Es ist ja nicht so, dass ich so was wie eine militärische Ausbildung genossen hätte. Ich meine, ich arbeite für eine private Sicherheitsfirma und habe ein paar Sachen trainiert, aber verdammt, ich bin 57 Jahre alt. Gehöre ich nicht eigentlich zu den Leuten, die von Ihnen und Ihren Kameraden beschützt werden sollen?«
Der Sergent grinste freudlos. »Nette Rede, Caporal. Die habe ich in den letzten Tagen schon mehrmals gehört, und durch die Wiederholung wird sie nicht besser. Meinen Sie im Ernst, es macht dem Direktorat Spaß, die Bevölkerung mehr oder weniger zu bewaffnen? Wissen Sie, wie viele Gauner so in den Genuss von Waffen gekommen sind, die sie auch einsetzen werden? Wissen Sie, wie viele Kinder bereits durch unsachgemäße Handhabung der Volksbewaffnung umgekommen sind? Und wissen Sie, wie egal das alles im Grunde sein wird, wenn die Tentakel erst gelandet sind? Wenn wir als Menschheit noch eine Chance haben wollen, dann müssen wir uns alle verteidigen: an jeder Straßenecke, in jeder Stadt, in jedem Wald, an strategisch wichtigen und unwichtigen Stellen. Jeder getötete Tentakel wird uns dem Überleben näher bringen, denn deren Nachschub ist auch irgendwann aufgebraucht. Aber sobald sie Stützpunkte und Brückenköpfe errichtet haben, sobald sie angefangen haben, Menschen einzusammeln und sie für ihre Setzlinge zu verwenden – dann beginnt unsere Zeit endgültig abzulaufen. Verstehen Sie, was ich sage?«
Leon unterdrückte ein Zittern, das sich in seinem ganzen Körper ausbreiten wollte. »Ich denke nicht, dass wir viel erreichen werden, indem wir jedem erwachsenen Zivilisten eine Waffe in die Hand drücken. Was passiert denn, wenn es uns gelingt, die Invasion zurückzuschlagen? Werden die Leute die Waffen alle freiwillig wieder abgeben? Wird es überall noch eine staatliche Ordnung geben? Ich sehe schon Banden um die Kontrolle einzelner Straßenzüge kämpfen.«
Der Sergent nickte. »Kann passieren. Kann aber auch passieren, dass die Bürger dieser Straßenzüge ihre Waffen aus dem Schrank holen und den Banden bedeuten, dass es keine gute Idee ist, dort Radau zu machen. Eine
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