Tentakel-Trilogie 3: Tentakelsturm
dem Problem, aber niemals sich selbst die Schuld, ja, das Konzept von »Schuld« war etwas, das er nicht richtig nachvollziehen konnte. Phänomene, Dinge, Strukturen, Tatsachen »waren« einfach, sie existierten, und niemand war besser darin, sie in aller Klarheit zu erkennen als DeBurenberg – das nahm er zumindest von sich selbst an. Es gab die Frage nach dem Aufgeben für den Wissenschaftler nicht, da sich diese Frage auch nicht stellte, wenn jemand es »aufgab«, einen Raumkreuzer auf den Händen zum Mond tragen zu wollen. Frazier wartete also gar nicht auf eine Antwort, sondern korrigierte sich sofort selbst.
»Werden Sie andere Probleme in Bezug auf die Tentakelbedrohung behandeln?«
Sofort hellte sich DeBurenbergs Gesicht auf. »Selbstverständlich. Es gibt viele interessante Details, die ich während des Aufenthaltes auf Lydos erfahren habe und die dringend der Auswertung bedürfen. Da wäre zum Beispiel der Fortpflanzungs- und Expansionszyklus dieser Spezies. Eine faszinierende Aufgabenstellung.«
Frazier war sich nicht sicher, ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht war. Es klang nicht so, als würde dieses Thema sich besonders positiv auf die militärische Gesamtlage auswirken können. DeBurenberg wirkte aber bemerkenswert unbekümmert.
Er würde noch fröhlich forschend vor seinen Anlagen sitzen, während die Gärtnertentakel ihn bereits festhielten, um ihm einen Setzling durch die Schädeldecke zu stoßen. Für einen winzigen Moment wollte der Offizier das Genie um diese Geisteshaltung beinahe beneiden. Dann aber überkam ihn eher der verzweifelte Drang, doch etwas erreichen zu wollen und einen Ausweg aus der aktuellen Lage zu finden. DeBurenberg war es dermaßen egal, was mit den Menschen und ihrer Zivilisation geschah, dass Frazier sich sehr darum bemühte, diese Tatsache rational zu erklären und nicht emotional zu werden. Im letzteren Falle hätte er dem Genie womöglich eine gelangt.
»Wir sind bald bei Thetis angekommen«, informierte er den Wissenschaftler schließlich.
»Gut, dann habe ich endlich wieder Zugang zu besseren Forschungsmöglichkeiten«, kommentierte dieser. Die Tatsache, dass sie auf dem Weg dorthin Opfer eines Tentakelangriffes werden konnten, schien ihn nicht weiter zu interessieren.
Frazier wandte sich seufzend ab und schnallte sich auf seinem Sitz an. Er schaltet direkt auf den Datenfeed zum Cockpit und sah, was Kovaleinen tat.
Der Pilot tat nicht viel. Er war in den letzten Stunden vor dem Anflug, als die taktischen Daten langsam immer zuverlässiger wurden, mit der Vorprogrammierung verschiedener Kursalternativen befasst gewesen. Ein Raumschiff zu fliegen, auch so ein wendiges wie dieses hier, hatte nichts mit der Tätigkeit etwa eines Jagdpiloten zu tun. Die Entfernungen waren groß und die Reaktionszeiten von einer Natur, dass man unmittelbare Korrekturen der Flugautomatik überließ. Möglicherweise würde der Pilot direkt eingreifen, wenn es um taktische Grundsatzentscheidungen ging, aber letztlich würden die Computer das Schiff fliegen. Sie würden es im Übrigen auch verteidigen: Da Kovaleinen das einzige Besatzungsmitglied war und Fraziers Ausbildung an den Waffensystemen bereits eine geraume Zeit her war, blieb nichts anderes übrig, als die Zielsuche und die Entscheidung zum Feuern ebenfalls den Computern zu überlassen. Das war keine ernsthafte Beeinträchtigung ihrer Verteidigungsfähigkeit, denn die elektronischen Intelligenzen vermochten mögliche Chancen, zum Treffer zu kommen, ohnehin viel besser einzuschätzen. Der Kurier war bewaffnet, wenngleich vorwiegend defensiv, mit der neuesten Ausrüstung, die die Sphäre entwickelt hatte – der Geheimdienst hatte sich hier nicht lumpen lassen.
»Wie sieht es denn jetzt um Thetis herum aus?«, fragte Frazier.
»Relativ ruhig. Wir haben die um die Anlage herum stationierten Streitkräfte benachrichtigt und wir haben einen prioritären Anflugvektor bekommen. Im Notfall steht ein Geschwader Torpedoboote ausschließlich zu unserer Verteidigung bereit. Der letzte größere Angriff auf die Station ist jetzt vier Tage her, was eher Anlass zur Sorge gibt.«
»Wieso? Greifen die Tentakel in fest gelegten Zeiträumen an?«
»Zumindest in diesem Sektor scheint der örtliche Obertentakel Gefallen daran zu finden, immer ungefähr den gleichen Zeitraum zwischen zwei Attacken verstreichen zu lassen. Vielleicht ist das nur ein eher statisches taktisches Denken, oder es steckt die Absicht dahinter, die Verteidigung
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