Tentakel-Trilogie 3: Tentakelsturm
Kommandopositionen zuwies, gehörte ausgerottet.
Sergent Hamfi sagte das nicht laut.
Überforderte Offiziere waren leicht bei der Hand mit Vorwürfen wegen Insubordination oder Zersetzung der Wehrkraft. Und jetzt, im Kriegszustand, war eine Exekution zudem leicht arrangiert.
Nicht, dass es dafür noch genügend Personal gegeben hätte. Der Angriff der Tentakel auf den Lunakomplex war brutal gewesen. Von der weitläufigen Anlage kontrollierten die Sphärenkräfte nur noch den zentralen Gefechtsbunker. Die Verbindungen zur Außenwelt waren weitgehend abgeschnitten und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Tentakel auch die letzten physischen Barrieren überwinden würden.
Viele Verteidiger würden sich ihnen nicht mehr in den Weg stellen. Es waren, um genau zu sein, siebzehn. Eine zusammengewürfelte Gruppe: Techniker, zwei Marineinfanteristen, einige Spezialisten wie Hamfi und drei Offiziere. Nicht irgendwelche Offiziere, das wollte der Sergent gerne zugeben. Admiral Sikorsky, der Oberkommandierende. Er kommandierte derzeit nicht mehr als diese siebzehn Soldaten, aber er hatte noch diesen Nimbus und diese Unerbittlichkeit in seinen Zügen. Wenn er aufgegeben hatte, innerlich, dann zeigte er es jedenfalls niemandem. Hamfi mied ihn, wenn er nur konnte. Dann Admiral Suchowka, der Chef des Marinegeheimdienstes. Hamfi war ihm seit einer Ankunft auf der Mondstation schon öfters begegnet – der Mann hatte in den letzten Wochen eine rapide Veränderung durchgemacht. Die einstmals wohlbeleibte und jovial wirkende Gestalt des Admirals hatte sich in ein erschöpftes, sichtlich abgemagertes Abbild seiner selbst verwandelt. Wo Sikorsky fast manischen Überlebenswillen ausstrahlte, schien Suchowka sich in das absolute Gegenteil zu verwandeln. Er wirkte kraftlos.
Seine einzige Stütze war die Offizierin, die ihn begleitete, Colonel Tamara Lik. Auch ihr waren die Strapazen des Kampfes deutlich anzusehen, aber auch sie schien aus irgendeinem Grund die Hoffnung noch nicht aufgegeben zu haben.
Hamfi ahnte, woran das lag. Das Thema des aktuellen Streits, der Sikorsky sehr zu erregen schien, hatte damit zu tun. Der Sergent saß daneben und hörte zu. Besser, sich nicht einzumischen.
»Das kann doch nicht wahr sein«, knurrte Sikorsky. Sein flackernder Blick wanderte von Tamara Lik zu Suchowka und wieder zurück. »Sie können das nicht ernst meinen. Das ist Befehlsverweigerung. Ich sollte Sie beide dafür erschießen lassen.«
Lik schien die nur schwer unterdrückte Wut in Sikorskys Stimme weitgehend kaltzulassen. »Es war notwendig. Wir müssen jede potenzielle Chance nutzen.«
»Haarks Geschwader hatte eindeutige Befehle. Sie sollten sich der Erdverteidigung anschließen. Wenn die Schiffe hier gewesen wären, würden wir vielleicht nicht dermaßen in der Scheiße sitzen.«
»Sie wären in jedem Falle zu spät gekommen«, gab Suchowka zurück. Die Auseinandersetzung mit Sikorsky schien seine Lebensgeister zu beleben.
»Sie würden jetzt helfen, den Erdorbit aufzuräumen!«
»Was viel mehr nützt, wenn den Tentakeln die wichtigste Nachschubquelle genommen wurde«, wandte Lik furchtlos ein.
»Sie hätten mir diesen Befehl vorlegen müssen«, beharrte Sikorsky. »Das ist eine wichtige Entscheidung, die allein der Oberbefehlshaber zu fällen hat.«
»Ihre Abneigung gegen Haark hätte Sie davon abgehalten, vernünftig zu entscheiden«, meinte Suchowka. »Er hätte noch mehr Potenzial gehabt, zu einem Helden und letztlich zu einer Gefahr für Sie zu werden. Sie hätten das nicht zugelassen und diese Chance verspielt.«
»Das ist anmaßend!«, keifte Sikorsky erregt.
»Es entspricht den Tatsachen!«, widersprach Lik.
»Tatsachen! Ich entscheide hier, was Tatsachen sind!«
»Die Tentakel scheinen anderer Ansicht zu sein.«
»Verdammt!«, stieß Sikorsky aus. Er erhob sich und wanderte in dem wie ausgestorben wirkenden Gefechtszentrum umher. Die meisten technischen Anlagen waren ausgefallen, die Monitore tot. Das sanfte Winseln der Notluftversorgung war, von dem heftigen Gespräch einmal abgesehen, das einzige wahrnehmbare Geräusch.
»So haben wir diesen Krieg verloren!«, zeterte der Admiral. »Keiner respektiert mehr die Führung. Jeder macht, was er will. Ich habe das schon öfters gesagt, aber niemand will auf mich hören. Ich musste all dies erdulden, musste mit schlechtem Menschenmaterial arbeiten, musste flickschustern und improvisieren, und dann bekomme ich den Dolch in den Rücken gestoßen. Meinen Sie, ich
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