Tentakel-Trilogie 3: Tentakelsturm
größeren Verwundungen kam: Wer diese erlitt, war aufgrund einer Sporenverseuchung ohnehin schon tot. Niemand würde auch nur einen Verband für einen solchen Verletzten opfern. Aber die immer gefährlicher werdenden Plünderbanden waren durchaus in der Lage, normale Verletzungen durch sehr irdische Waffen zu verursachen, und das bereitete der Gruppe mehr und mehr Sorgen.
Sie hatten sich schließlich in einer alten, aufgegebenen Polizeikaserne einquartiert. Das Gelände war bereits vor der Invasion sich selbst überlassen worden. In der Zwischenzeit waren die Absperrungen von Plünderern niedergerissen und anschließend so zurückgelassen worden, nachdem man keine der erhofften Vorräte gefunden hatte. Bei Leons Eintreffen waren einige wenige einsame Flüchtlinge aufgestöbert worden, allesamt harmlose Zivilisten, die irgendeine Zuflucht gesucht hatten. Jorge schließlich war auf den alten Wachturm aufmerksam geworden, ein massives Betongebäude, mit einem zehn Meter hohen Schaft, rund, mit einem Durchmesser von gut vier Metern. Darin eine Wendeltreppe, drei Stockwerke mit Aufenthaltsräumen und schließlich eine Beobachtungsplattform mit Duralplastfenstern, die auch Tentakelsporen widerstehen würden – zumindest eine gewisse Zeit über. Ein perfekter Unterschlupf.
Die gepanzerte Zugangstür war nur leicht angelehnt gewesen. Im Inneren war nichts Außergewöhnliches gewesen, der Turm war vor langer Zeit ausgeräumt worden. Immerhin, die Matratzen im Aufenthaltsraum, mit Plastikfolie überzogener Schaumstoff, hatte man belassen. Es war ein Leichtes, sie zu säubern. Sofort wurde ein Schichtplan für die Nutzung der fünf Betten aufgestellt, ein Luxus, den viele seit langer Zeit vermissten. Es gab leere Schränke, einige Stühle, eine kleine Küche ohne Wasser und Elektrizität. Dort wurden die beiden Campingkocher aufgestellt, mit denen die Gruppe ihre Nahrung erwärmte. In einer Schublade fand sich eine versiegelte Packung Instantkaffee, eine willkommene Bereicherung ihrer begrenzten Vorräte. Die Beobachtungsplattform bot eine ausgezeichnete Sicht über das Kasernengelände und die umliegenden Gebäude und Straßen der Stadt. Man hatte alles wohlweislich so angelegt, um marodierende Demonstranten gegen das Regime der Sphäre rechtzeitig im Blick zu haben. Auf dem Dach der Plattform war eine große Kanone installiert, die Tränengasgranaten abfeuern konnte. Sie war allerdings unbrauchbar. Jorge und Leon hatten dies mit einem gewissen Bedauern zur Kenntnis genommen, etwas schweres Geschütz wäre ihnen gerade recht gewesen. Immerhin, ihre taktische Situation hatte sich deutlich verbessert. Hier konnten sie es eine Weile aushalten. Leon wusste, dass in einem der Keller der Kaserne, versteckt vor Plünderern, ein weiteres Depot angelegt worden war. Er hoffte, diesmal mehr Glück zu haben als beim letzten Versuch. Jede Ergänzung ihrer Vorräte wäre von Vorteil.
Als sich die Gruppe einigermaßen eingerichtet hatte und ein Wachplan aufgestellt worden war, setzte sich ein dreiköpfiger Trupp unter der Führung Leons in Bewegung. Brotislav, der andere Milizionär, blieb im Turm zurück, er hatte den zweiten noch funktionsfähigen Kommunikator und würde mit der Expedition in Kontakt bleiben können. Leon hatte für seine Mission zwei junge, muskulöse Männer ausgesucht, die mit großen, leeren Rucksäcken ausgerüstet wurden. Auch Leon hatte sich einen solchen auf den Rücken geschnallt. Vielleicht bekamen sie nur eine Chance, und dann mussten sie mitnehmen, was sie transportieren konnten. Beide Männer, Steven und Jack mit Namen, trugen Jackhammer und reichlich Munition bei sich. Sie waren an der Waffe nie ausgebildet worden – beide hatten in der von Rezession geplagten Ära, in der sie aufgewachsen waren, nie irgendeine Ausbildung genossen –, aber sie hatten den Umgang in der Praxis mit dem Eifer von Jugendlichen erlernt, die auf der Straße lebten und den Wert guter Bewaffnung früh in ihrem Leben erkannt hatten. Leon konnte sich so weit auf sie verlassen, wie er sich überhaupt auf jemanden verließ. Ihr Ziel war das Depot, etwa achthundert Meter vom Wachturm entfernt, auf der anderen Seite der weitläufigen Anlage, verborgen im Keller einer Sporthalle, von der aber nur noch skelettartige Metallstreben in die Luft ragten. Spuren eines Feuers waren erkennbar, doch soweit sich Leon erinnerte, hatte diese Verwüstung schon vor der Invasion stattgefunden. Mit etwas Glück hatte das potenzielle Plünderer
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