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Tentakelblut (German Edition)

Tentakelblut (German Edition)

Titel: Tentakelblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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körperlich – warme Sonne auf seiner Haut, ein luftiges Hemd, das sich in einer sanften Brise an ihn schmiegte, und er roch das Gras und die Blumen. Es war ein idyllisches Bild und eine Gegend, wie er sie in all den Jahren auf der Erde niemals hatte genießen dürfen. Slap war ein Stadtkind. Die einzigen Pflanzen, die er kannte, wuchsen aus den Rissen im Asphalt der Gegenden, in die sich nur allzu selten eine Teermaschine verirrte.
    Aber so hatte er es sich vorgestellt. Es war sehr entspannend. Slap fühlte sich wohl. Er drehte sich einmal um sich selbst und stellte fest, dass er auf einem Hügel stand, der ihm den Blick über eine weite Ebene gestattete, die aus weiteren, sanft geschwungenen Hügeln bestand, mit vereinzelten Baumgruppen, alles farbenfroh und angenehm temperiert unter einem wolkenlosen, blauen Himmel, von dem eine freundliche Sonne schien.
    Alles viel zu schön, um wahr zu sein, und allein schon deswegen eine gute Erinnerung an die Tatsache, dass es ja auch nicht »wahr« im Sinne von »real« war.
    »Das ist so nicht ganz richtig«, korrigierte ihn Lobans Stimme und bewies damit, dass er seine Gedanken mithörte. »Was Sie erleben, mag nicht Ihrer normalen physischen Realität entsprechen, aber eines müssen Sie sofort verstehen: Der Tentakeltraum, das Virtuum, ist real genug, dass man darin sterben kann. Es ist mehr als nur ein flüchtiges Gespinst wie das, was Sie nachts träumen. Es ist eine eigene Realitätsebene mit ihren eigenen Gesetzen, und obgleich manche anders sind als die, die Sie gemeinhin kennen, haben Handlungen Konsequenzen und können nicht durch bloßes Erwachen ausgelöscht werden. Das müssen Sie verstehen. Sie dürfen im Virtuum nicht so handeln, als wäre alles nur eine Illusion. Es ist keine Illusion, zumindest nicht in all ihren Aspekten. Das Virtuum speist seine Realität aus Ihrem Unterbewusstsein, hier, wo sie alleine sind. Sobald Sie auf andere treffen – Tentakel, Allianzkämpfer –, wird deren Unterbewusstsein sich in die Erschaffung der Realität einmischen. Dann heißt es entweder kooperieren oder konfrontieren. Beides hat Konsequenzen – echte, reale, fühlbare, andauernde Konsequenzen. Täuschen Sie sich nicht!«
    Slap nahm die Worte wahr und versuchte, ihre Wahrheit zur Erkenntnis zu machen, aber angesichts dieser allzu perfekten, friedlichen Bilderbuchumgebung fiel ihm dies ausgesprochen schwer. Seine zentrale emotionale Reaktion war der plötzliche Wunsch nach einem Picknick.
    Er machte einige Schritte nach vorne und bemühte sich, irgendwas zu entdecken, dass ihm einen unabhängigen Hinweis darauf gab, hier nur in einer Traumwelt zu sein. Er spürte den Boden unter seinen Füßen – der war uneben, wie es sich für »draußen« gehörte –, er sah Vögel am Himmel und er hörte Insekten summen. Er bückte sich und nahm eine der schönen Blumen in die Hand, pflückte sie unten am Stiel. Sie widerstand seinem Zug für genau die richtige Zeit und der Stängel fühlte sich exakt so an, wie er sich anfühlen sollte. Slap zupfte eines der Blütenblätter heraus und murmelte: »Sie liebt mich …«
    Es segelte zu Boden.
    Slap sah auf, als er ein Geräusch hörte.
    Vor ihm stand ein Tentakelsoldat.
    Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er einem gegenüberstand, und er wirkte mindestens genauso bedrohlich und einschüchternd, wie Slap es sich vorgestellt hatte. Er ließ die Blume fallen und machte einen Schritt zurück. Die idyllische Umgebung war vergessen. All seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf das gut zwei Meter hohe Wesen, dessen Körper mit Flugsporen übersät war, die es mit einer einzigen Muskelkontraktion abfeuern konnte. Der Augenkranz oben am sich verjüngenden Tentakelkörper schien ihn mit Kälte und Abscheu zu mustern.
    »Keine Angst«, hörte er die Stimme Lobans. »Dieser Tentakel ist tatsächlich irreal. Ich habe ihn eingeführt, damit Sie sich an den Anblick gewöhnen. Wahrscheinlich werden Sie im Tentakeltraum niemals auf die Soldatenkaste stoßen. Die haben hier nichts zu suchen. Das Virtuum ist der Ort, an dem sich die Clanführer, die Genfürsten und die hohen Offiziere und Administratoren treffen, manchmal auch Wissenschaftler zum gegenseitigen Austausch. Selbst in jenen Bereichen des Tentakeltraums, in dem wir sie zu bekämpfen trachten, gibt es keine Soldatententakel. Ihre geistige Kapazität, in diesem Virtuum sinnvoll zu agieren, ist einfach nicht ausreichend. Der Konflikt erfordert hier etwas mehr … Subtilität.«
    Slap

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