Tentakelblut (German Edition)
der Soldat, dem er eben erst begegnet war. Soweit Slap wusste, kennzeichnete dieser Körperbau die Führungselite der Tentakel – Wissenschaftler, Offiziere, Gärtner, bis hin zum Adel, den Genfürsten und Clanoberhäuptern.
Es waren sicher ein Dutzend, die sich innerhalb des Steinkreises versammelten und in ihrer zwitschernden Sprache zu konferieren begannen.
»Sie werden die Tentakelsprache im Virtuum verstehen und sprechen können«, informierte Loban Slap. »Für unseren Einstieg heute ist nicht wichtig, was die da bereden. Sie haben jetzt eigentlich nur eine einzige Aufgabe: Denken Sie einen der Tentakel weg.«
Slap schüttelte den Kopf. Er konnte mit dieser Anweisung herzlich wenig anfangen.
»Wegdenken? Wie mache ich das?«
»Überzeugen Sie sich davon, dass er nicht existiert. Sie müssen es glauben. Sie erschaffen mit ihren starken Fähigkeiten einen Teil der Realität des Virtuums, wenn Sie dieses betreten. Sie müssen davon überzeugt sein, dass einer der Anwesenden – egal welcher – gar nicht hier ist. Dadurch verändern sie die Realität des Tentakeltraums und er wird tatsächlich ausgelöscht.«
»Eine Illusion wird zerstört, meinen Sie?«
Loban bewies eine Engelsgeduld.
»Nein. Wenn wir eines Tages in den Bereich des Virtuums vordringen, in dem die echten Tentakel agieren, geht es wirklich um mehr als eine bloße Illusion. Ich weiß, dass das sehr schwer zu verstehen ist. Diese Tentakel hier sind von uns erschaffen – zu Übungszwecken. Sie haben keinerlei Entsprechung in der realen Welt. Wenn Sie einen auslöschen, hat dies keine Konsequenzen hier. Aber wenn Ihnen das Gleiche mit einem Tentakel gelingt, der körperlich in unserer Existenzebene verankert ist – wie wir alle –, dann wird er durch Ihre Aktion sterben oder katatonisch werden. Und da es sich um Führer handelt, um die Elite, hat dies Konsequenzen. Dies ist ein Schlachtfeld. Unser Wille ist unsere Waffe. Mit dieser Waffe müssen Sie trainieren, bis Sie bereit sind, eine erste aktive Mission durchzuführen.«
Slap schüttelte unwillkürlich den Kopf. Er verstand immer noch nicht richtig, wie all das funktionierte und warum gerade er so befähigt sein sollte, hier zu agieren und an einem Kampf beteiligt zu sein, der auf eine für ihn schwer fassbare Art ablief, eine Entfernung und seine physische Realität transzendierendes Schlachtfeld, das sowohl real wie auch irreal war. Und was hieß es überhaupt, hier einen Sieg davonzutragen? Würde dies Auswirkungen auf die physische Realität haben? Würde es die Tentakel davon abhalten, die Erde auszulöschen oder den Feldzug gegen andere Völker, gegen die ganze Galaxis fortzusetzen?
Er lauschte, doch anstatt der erwarteten Antwort Lobans begegnete ihm jetzt nur Schweigen. Offenbar sollte er jetzt etwas unter Beweis stellen, irgendwie. Hoffentlich bekam er danach noch weitere Antworten. Slap mochte es nicht, im Dunkeln gelassen zu werden.
Er sah sich um und erblickte den rot pulsierenden, virtuellen Knopf in seinem Blickfeld. Sein Ausstieg war jederzeit möglich. Andererseits war Slap auch keiner, der grundlos vor Herausforderungen zurückscheute. Vielleicht konnte er wirklich etwas bewegen. Vielleicht besaß er ein Talent, das er hier in vollem Umfang einsetzen konnte.
Es schadete also nichts, es einfach mal zu versuchen.
Er wusste trotzdem nicht, wie er es anstellen sollte.
Slap hockte sich hin, starrte auf die Tentakelgruppe, prägte sich die Merkmale der einzelnen Aliens ein und suchte sich ein Exemplar aus. Und dann beschloss er, dass es nicht mehr existierte.
Leider widersprach das Bild auf seiner – virtuellen – Netzhaut diesem Beschluss. Der Tentakel stand immer noch da, schnatterte irgendwas vor sich hin und erfreute sich der Simulation bester Gesundheit.
Slap konzentrierte sich, versuchte, den Tentakel einfach auszublenden. Er probierte eine Reihe von Visualisierungen – er ließ den Alien vor seinem geistigen Auge in Flammen aufgehen, dann stellte er sich vor, seine Artgenossen würden ihn fressen. Einer der Steinpfeiler des Tempelkreises fiele auf ihn hinab. Er bekäme einen Herzinfarkt. Er bekäme Depressionen und verübte Selbstmord. So befriedigend die Mordfantasien auch sein mochten, sie erzielten nicht den gewünschten Effekt. Der Tentakel blieb, er unterhielt sich und war offenbar völlig unbeeindruckt von den Versuchen Slaps, seine Existenz zu negieren.
Nach einer halben Stunde intensiver Experimente gab Slap auf.
»Ich schaffe das
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