Tentakelblut (German Edition)
nicht.«
»Glauben Sie das wirklich?«, meldete sich Loban wieder.
»Ja.«
»Mit exakt dieser Einstellung, diesem festen Glauben, müssen Sie an Ihre Aufgabe gehen. Sie versuchen sich die ganze Zeit zu überreden, dass Ihr Opfer nicht existiert. Sie müssen aber davon absolut überzeugt sein. Es ist so.«
»Aber es ist doch tatsächlich so! Sie haben es gesagt! Diese Tentakel dort haben keine reale Entsprechung, sie wurden durch die Maschine erschaffen, in der ich stecke.«
»Korrekt. Es sind nur programmierte Projektionen. Also, wo liegt das Problem? Sie dürften dann doch leicht auszulöschen sein. Vielleicht sollten Sie sich nicht so anstrengen .«
Slap dachte nach. Natürlich. Er wusste durchaus, dass diese Übungstentakel da drüben gar nicht existierten. Er nahm sie aber als real wahr, weil er dachte, das gehöre zur Übung – dass alles hier nur zur Übung gehöre und von ihm daher erst einmal ernst genommen werden müsse, damit diese Übung auch funktioniere.
Vielleicht war der erste Schritt daher, das alles hier, die ganze Umgebung, einfach nicht mehr ernst zu nehmen!
Slap konnte das gut. So hatte er sich durch sein ganzes Leben gemogelt. Er hatte wenig ernst genommen, auch Dinge, um die er sich besser richtig hätte kümmern sollen. Das war ihm immer wieder von mehreren Seiten bestätigt worden. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass sich das mittlerweile geändert haben sollte.
Das sollten doch im Grunde ideale Voraussetzungen sein.
Slap war ohnehin der festen Überzeugung, dass Realität ein sehr dehnbares Konzept war. Er hatte sich nie intensiv mit philosophischen Fragen befasst, aber jeder gute Hacker, der ein Großteil seines Lebens in scheinbar virtuellen Welten verbrachte, die aber alle doch immer auch sehr reale Konsequenzen hatten, stellte sich hin und wieder gewisse Fragen. Slap war auch nie jemand gewesen, dem die Frage nach der Realität Sorgen bereitet hätte – er hatte immer gelebt und versucht, seinen Spaß zu haben, und das war stets sehr hilfreich gewesen. Unterwegs zu seltsamen Aliens? Meinetwegen. Das Leben damit verbringen, eine Tentakelbraut mit riesigen Möpsen zu ficken und ansonsten böse Invasoren zu bekämpfen? Auch gut. Morgens früh aufstehen? Nur dann, wenn es sein musste.
Slap war der Ansicht, dass viele Menschen sich das Leben zu kompliziert machten. Immer mussten sie alles hinterfragen, in allem einen Sinn sehen, die tiefere Erkenntnis suchen. Das führte bei den mit weniger geistigen Mitteln gesegneten Mitmenschen im Regelfall dazu, dass sie sich irgendwelchen obskuren Gurus zuwandten, die ihnen das Nachdenken über diese Dinge gegen eine kleine Gebühr gerne abnahmen. Die intelligenteren waren aber fast noch schlimmer, folgten sie doch oft genug dem starken Impuls, ihre gewichtigen Erkenntnisse anderen Menschen mitteilen zu wollen, ganz unabhängig davon, ob es diese interessierte oder nicht. Mit etwas Glück wurden einige von ihnen zu obskuren Gurus, meistens aber wurden es einfach nur penetrant nachdenkliche und permanent selbstreflektierende Arschlöcher.
Slap war kein Arschloch – dessen war er sich einigermaßen sicher – und er war keinesfalls dumm – davon war er überzeugt. Und weil er nicht dumm war, hielt er die permanente Retrospektive des eigenen Ich für einen Zeitvertreib, für den es bessere, amüsantere und erfüllendere Alternativen gab.
Slap lächelte bei diesem Gedanken. Es war kein Zufall, dass das lecker angeordnete Bindegewebe Mirindas dabei vor seinem geistigen Auge stand. Avatar oder nicht, sie war ihm Realität genug, vor allem eine, die er jederzeit umfassend und vollständig zu akzeptieren bereit war. Der Rest, insbesondere diese bekloppten Tentakel …
Die konnten ihm mal den Buckel runterrutschen.
Er kratzte sich im Schritt, stellte fest, dass die Simulation seiner körperlichen Reaktionen voll funktionsfähig war, und sah auf. Die Tentakel im Tempelkreis hatte er ja ganz vergessen. Er schaute sich suchend um, runzelte die Stirn.
Sie waren alle weg.
»Loban?«
Es dauerte etwas, bis die Antwort kam, was Slap sofort zu denken gab.
»Ich analysiere noch die Daten.«
»Was für Daten? Die Tentakel sind futsch. Sorry, dass ich nicht schnell und gut genug war. Sie haben sie abgeschaltet. Vielleicht sollten wir es für das erste Mal gut sein lassen. Ich muss wohl noch eine Menge üben und mich mit der Idee dieses Tentakeltraums vertraut machen.«
Loban entgegnete nichts. Dafür aber sprach Mirinda in seinem Kopf.
»Wir haben
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