Tentakelblut (German Edition)
er hatte keinerlei Ahnung von taktischen Manövern, war kein Offizier. Jetzt waren sie beide hier alleine und Mirinda erwartete das Unausweichliche. Der Tentakel hatte keine Körperwaffen – er gehörte nicht zur Soldatenkaste –, aber trug in einem Holster eine durchaus wirkungsvoll aussehende Handfeuerwaffe mit sich herum, die er nun mit geübten Bewegungen hervorholte.
»Es wäre so schön geworden«, sagte er mit einem bedauernden Unterton. »Wir hätten so viel lernen können.«
Mirinda sah ihn einfach nur an. Wenn er sie töten wollte, dann sollte er es jetzt bitte tun und mit dem nervigen Gequatsche aufhören. Doch Actinotroch, dessen war sie sich bewusst, hörte sich einfach viel zu gerne reden, als dass er ihr diesen Gefallen tun würde.
»Eine wunderbare Zukunft«, jammerte er und machte einen Schritt auf sie zu. »Eine gemeinsame Zukunft.« Er sah sie intensiv an. »Sagen Sie mir, meine Teuerste … es mag etwas abwegig klingen, aber dennoch … ich muss es einfach fragen, jetzt, in der Stunde der Not, das sichere Ende vor Augen … Mirinda … hätten Sie mich nicht eines Tages vielleicht lieben können?«
Mirinda starrte den Tentakel fassungslos an und fasste dann einen Entschluss.
Sie lächelte.
Sie schnellte nach vorne, die Arme ausgestreckt. Mit der Rechten stieß sie den Arm beiseite, mit dem Actinotroch die Waffe hielt, die sich wirkungslos in die Wand hinter ihr entlud.
Mit der Linken schubste sie den Tentakel machtvoll ins Freie.
Der Wissenschaftler taumelte, sah sie anklagend an.
Wie in Zeitlupe wanderte seine Waffe wieder in ihre Richtung, als sie einen Schritt zurück machte.
Und wie in Zeitlupe traf eine Geschossgarbe seinen Oberkörper, riss die Haut auf, legte Eingeweide frei und ließ den Waffenarm kraftlos werden.
Actinotroch sackte zu Boden. Blutig. Tot, sehr tot. Zufriedenstellend tot.
Nur wenige Augenblicke später tauchte eine Frau in einem Kampfanzug in der Türöffnung auf.
Sie winkte, sagte etwas, das kaum zu verstehen war, doch die Haltung war eindeutig, auffordernd und drängend.
Mirinda zögerte keine Sekunde. Ein Mensch. Alles war besser als ein Tentakel.
Sie machte einen Schritt, stieg über die blutigen Reste des Wissenschaftlers hinweg, folgte der Frau, die zu rennen begonnen hatte. Es wurde geschossen, doch jemand gab ihnen Rückendeckung. Mirinda stolperte, fühlte sich von einer kräftigen Faust hochgerissen und vorangetrieben. Hitze glühte auf ihren Wangen, sowohl aufgrund der Anstrengung wie auch aufgrund des Napalms, das um sie herum in einem letzten, sich selbst verzehrenden Brand verging. Überall tote Tentakel, viele verkohlt, und dieser seltsame Geruch von verkokelten Lebewesen lungerte in der Luft, nicht süßlich wie Verwesung, sondern erschreckend wie verbranntes Fleisch, vermischt mit dem Geruch nach Holzkohle, den Resten der pflanzlichen Komponente der Leichen. Mirinda hustete und drückte die Hand vor die Nase. Der Gestank wurde beißend und stach brennend in ihre Lungen, je mehr sie sich dem Zentrum des Kampfes näherten.
Dann tauchten drei Tentakel vor ihr auf. Mirinda blieb wie angewurzelt stehen, doch die Fremde zögerte keine Sekunde, hob ihre Waffe und feuerte. Ehe sie auch nur einen der Soldaten fällen konnte, steckten ein Dutzend Sporen in ihrem Oberkörper, rissen den Brustkorb auf, legten Knochen und die weiche Masse der in sich zusammenfallenden Lunge frei, und dann fiel sie Soldatin klaglos zu Boden.
Mirinda öffnete den Mund zu einem letzten Schrei.
Sie vernahm ein dumpfes, schwirrendes Geräusch, und aus den Schwaden des Kampfes erschien im Tiefflug, nur wenige Meter über der Oberfläche, ein Ungetüm wie aus grauer Vorzeit, dessen Rotoren den Rauch verwirbelten, und dann sah sie die kreisenden Mündungen der Gatlingkanone unter dem Rumpf, wie sie sich auf die Tentakelsoldaten richteten. Diese drehten sich, fast schwerfällig, natürlich viel zu langsam für sie, und das kreiselnde Sirren der Gatling wurde zu einem hellen Jaulen, als zwei kurze Feuerstöße die Tentakel in Stücke zerlegten. Mirinda hob abwehrend die Hände, als Tentakelfetzen feuchtwarm gegen ihren Körper schlugen; diese verbreiteten sofort einen stechenden Geruch, der sie heftig würgen ließ.
Der Helikopter sackte kurz ab, dann berührten seine Landekufen den Boden und die hintere Kanzel sprang auf. Jemand winkte. Mirinda raffte sich auf, stolperte auf die Maschine zu, deren wirbelnde Rotoren einen starken Luftzug verursachten. Sie kletterte am Rand
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