Tentakelblut (German Edition)
wärmer.
Mirinda stand auf, entfernte sich instinktiv einige Schritte vom Eingangsbereich.
Sie wusste, dass die Menschen gerne ein hoch brennbares Material einsetzten, um die Tentakel auf eine besonders effektive Art und Weise zu vernichten. Es entwickelte eine sehr starke Hitze und war kaum zu löschen, ehe es sich nicht von selbst verzehrt hatte. Auch Gebäude wurden davon in Mitleidenschaft gezogen.
Es war zu ertragen. Der Angriff erfolgte demnach nicht in unmittelbarer Nähe.
Dann wurde die Tür geöffnet, später, als von ihr erwartet. Tentakelwachen drangen ein, wirkten aufgeregt. Actinotroch folgte ihnen, und ihm waren Wut und Angst so deutlich anzusehen, dass Mirinda über ihr eigenes Einfühlungsvermögen schon fast erstaunt war.
Sie lernte den Tentakel kennen.
Das gab ihr zu denken.
»Mitkommen!«
Er verlor diesmal keine Zeit mir geschwurbelter Höflichkeit. Mirinda gehorchte.
»Ihre Freunde scheinen Sie für wertvoll zu halten.«
Mirinda sagte nichts. Ihr gefiel der Unterton des Tentakelwissenschaftlers nicht. Er wirkte unsicher, gehetzt und …
»Wir werden sehen, ob sie Erfolg haben werden.«
Er gefiel ihr ganz und gar nicht.
Sie wurde durch die Gänge gezerrt. Erschütterungen hielten ihren Fortschritt immer wieder auf. Raketenabschüsse waren zu hören und die Schreie von getroffenen Tentakeln. Mirinda versuchte, die Geräusche richtig einzusortieren, und kam zu dem Schluss, dass eine Landungsoperation begonnen hatte. Das Geknatter von Sturmgewehren war charakteristisch, und das helle Fauchen eines tragbaren Flammenwerfers hatte sie auch bereits einmal vernommen.
Und kamen diese Geräusche nicht näher?
»Schneller! Hier entlang!«, stieß Actinotroch hervor.
Oh ja. Sie kamen näher.
Dann standen sie im Labor des Wissenschaftlers vor der großen Maschine mit ihren Pseudopodien, an deren Behandlung sich Mirinda jetzt wieder nur allzu deutlich erinnerte. Sie rang für einen Moment um Selbstbeherrschung, aber dann führten die Wachen sie am Operationstisch vorbei durch eine weitere Tür. Es folgte ein langer Gang, der nun halb unterirdisch verlief, und an dessen Ende erwartete sie …
Natürlich. Eine Fluchtmöglichkeit. Wahrscheinlich ein startbereites Fahrzeug.
Mirinda fühlte, wie Verzweiflung in ihr aufstieg. Sie wollte diese Rettung, sie verlangte danach mit jeder Faser ihres Körpers. Doch sie konnte nichts tun, um Actinotrochs Flucht zu verlangsamen. Die beiden Tentakelwachen, die sie in ihrer Mitte führten, waren ihr körperlich dermaßen überlegen, dass jede Gegenwehr sinnlos war. Sie würden sie sogar problemlos tragen, wenn sie die Kooperation verweigerte. Sie war nur Gepäck, ein Souvenir, und Actinotroch verlangte es danach, dieses nicht zu verlieren.
Mirinda aber wollte verloren werden.
Der Gang endete an einer Tür und die Art, wie der Tentakelwissenschaftler zögerte, wies darauf hin, dass es von hier ins Freie ging. Es war wärmer und die Geräusche des Kampfes lauter. Mirinda prüfte ihre Situation. Die Tentakelwachen hielten sie nicht fest – sie konnten sie jederzeit mit ihren Körperwaffen niederstrecken, sollte sie davonrennen. Wären ihre biologischen Abwehrmechanismen aktiviert, wäre die Infektion zu verschmerzen gewesen –, aber von einer Salve Sporen aus kurzer Entfernung in Stücke gehäckselt zu werden, war nichts, wogegen es ein effektives Mittel gab. Dennoch, wenn sich eine Gelegenheit ergeben sollte …
Die Tür öffnete sich.
Actinotroch machte einen Schritt nach vorne, dann zuckte er unmittelbar zurück.
Ein Schuss traf mit einem knackenden Geräusch die Wand des Gangs und die Patrone blieb stecken. Dann hörte Mirinda Frauenstimmen.
»Hier! Sie kommen hier heraus!«
Actinotroch sagte etwas, was Mirinda nicht verstand. Eine der beiden Wachen trat vor und begann, Tentakelsporen abzufeuern. Sie kam einige Schritte weit, dann hatte jemand sie im Kreuzfeuer und sie taumelte. Unentwegt weiter um sich schießend, machte der Soldat noch einige tapsige Bewegungen, doch dann sank er erschreckend schweigsam zu Boden.
Mirinda sah an seinem Kameraden hoch, der unbeweglich neben ihr verharrte und den Tod seines Gefährten mit dem Gleichmut seiner Art zur Kenntnis nahm.
Actinotroch wandte sich an Mirinda.
»Mich bekommen Ihre Freunde nicht!«
Sie sagte nichts.
Wieder ein Befehl, der zweite Tentakelsoldat trat vor, schoss um sich, wankte, starb. Was für eine dumme Vorgehensweise. Actinotroch mochte sich für einen genialen Wissenschaftler halten, aber
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