Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tentakelwacht

Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
Vom Netzwerk:
überleben. Dass sie dann aber keine robotischen Spähsonden schickten, musste etwas mit dem schon fast pathologischen Überlegenheitswahn zu tun haben, der den Aliens zu eigen war. Selbst kleinere militärische Rückschläge, wie auch das Scheitern der ersten Invasion, schien sie nicht zu schrecken, sondern eher darin zu bestärken, sich auch diese Weidegründe letztlich zu sichern.
    Außerdem hing die Einschätzung als »Scheitern« vom Auge des Betrachters ab. Die Tentakel hatten die gesamte Irdische Sphäre mit ihren rund 20 Sternsystemen innerhalb kürzester Zeit zerschlagen. Nach allgemeinem Kenntnisstand gab es außerhalb des irdischen Sonnensystems nur noch dort Menschen, wo die Aliens unter der Aufsicht der Gärtnertentakel Nahrungsfarmen unterhielten. Die Menschen dort mussten jederzeit damit rechnen, dass ihnen bei lebendigem Leib die Schädel geöffnet wurden, um den höherwertigen Tentakelsetzlingen als Topf zu dienen. Die Bilder kannte jeder. Sie gehörten zum Schulunterricht. Die Angst vor diesen unbeschreiblichen Grausamkeiten war die Legitimation der rücksichtslosen Militärdiktatur, unter der sie alle seit der letzten Invasion lebten. Dies war der Kitt, der die menschliche Gesellschaft zusammenhielt. Roby wunderte sich. Wenn eine Gesellschaft sich letztlich nur über ihre Angst definierte, welchen Sinn hatte ihre kollektive Existenz dann noch, von der simplen Selbsterhaltung einmal abgesehen?
    Roby schalt sich einen Narren. Warum verschwendete er Zeit damit, philosophischen Überlegungen nachzuhängen, wenn er doch vollauf damit beschäftigt war, »bereit« zu sein. Tatsächlich war angekündigt worden, die Ausbildung wieder aufzunehmen, allerdings nicht an diesem Ort, sondern in einem regulären Militärstützpunkt in der Nähe einer Großstadt, um im Falle des Tentakelangriffes sofort einsatzbereit zu sein, das betroffene Ballungszentrum zu schützen. Sollten die Tentakel genauso angreifen wie das letzte Mal – und niemand hatte Hinweise, die für eine besondere intellektuelle Flexibilität der Aliens sprachen –, würde es ein langer und dreckiger Häuserkampf werden.
    Genau das, wofür sie hier ausgebildet wurden. Und es war ebenfalls zu erwarten, dass die Regierung wieder die Magazine öffnen und die Bevölkerung bewaffnen würde. Diesmal standen allerdings ausreichend Kleinwaffen für alle Menschen ab 16 Jahren zur Verfügung, mit mehr als genug Munition. Die Tentakel würden sicher mit einer weitaus größeren Streitmacht angreifen als das letzte Mal. Jedoch stand ihnen dieses Mal eine wirklich durchweg bis auf die Zähne bewaffnete Menschheit gegenüber. Roby wollte sich gar nicht ausmalen, welche Ausmaße dieses Gemetzel nehmen würde, allein schon ein vorsichtiger Gedanke in diese Richtung begann bereits, bei ihm Angstzustände auszulösen. Er würde ausloten müssen, ob nach Beginn der Invasion die Möglichkeit bestand, sich in eine sichere Ecke zurückzuziehen und sich so lange wie möglich aus allem herauszuhalten.
    Roby war kein sonderlich überzeugter Altruist. Er hing an seinem Leben . Er empfand keine Loyalität für die Streitkräfte, in deren Dienst er gepresst worden war. Gäbe es eine Chance abzuhauen, würde er sie ergreifen. Das zumindest nahm er sich fest vor.
    Irgendwann kam der erwartete Marschbefehl und die gesamte Ausbildungskompanie wurde verlegt. Der ganze Vorgang dauerte gut einen Tag, aber hier zeigte sich, dass das Militär bei aller Korruption und Brutalität einige Lektionen aus der ersten Invasion verinnerlicht hatte. Die Verlegung verlief vollkommen reibungslos, alle Ressourcen wurden zur Verfügung gestellt und organisatorisch gab es keine Klagen. Gut 12 Stunden nach ihrem Aufbruch waren die Männer bereit, die Ausbildung fortzusetzen. Die Tatsache, dass sie nun mitten in einer Großstadt auf dem amerikanischen Kontinent stationiert waren, führte allerdings zu verschärften Sicherheitsbestimmungen. Ausgang wurde weitgehend gestrichen. Die Versuchung zur Desertion wurde wohl als zu groß angesehen.
    Obgleich Roby die Exekution vor einigen Tagen nicht durchgeführt hatte, war ihm dies offenbar nicht negativ ausgelegt worden. An seiner Position hatte sich jedenfalls nichts geändert. Er war weiterhin Caporal auf Zeit und genoss die damit verbundenen Privilegien. Dazu gehörte unter anderem, dass er am ersten Sonntag nach der Verlegung Ausgang bekam, wenngleich auch nur für einen Nachmittag. Die schmale elektronische Fußfessel, die einem Schmuckband gleich um

Weitere Kostenlose Bücher