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Tentakelwacht

Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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Polizisten vertrieben sich manchmal die Zeit damit, jemanden herauszuholen und zu verprügeln. Irgendwann wurde man dann einem Richter vorgeführt oder gleich freigelassen, weil jemand die notwendige Bestechungssumme gezahlt hatte. Letzteres war Roby einmal passiert; dafür war man in einer Bande. Damals hatte Torque noch genug Geld gehabt, um ihn auszulösen. Die guten, alten Zeiten.
    Der zweite Typ waren die Zellen im Kreisgefängnis der Stadt, dort wurde man bis zu zwei Jahre eingekerkert. Sie waren etwas sauberer – was daran lag, dass die Insassen sie beständig putzen mussten – und man bekam Mahlzeiten, soweit die synthetische Pampe als Mahlzeit durchging. Verprügelt wurde man auch hier. Roby hatte die zweite Variante ebenfalls kennengelernt. Anderthalb Jahre hatte er gesessen für minderschweren Raub.
    Wäre es jedoch nicht seine erste Verurteilung gewesen, hätte man ihn vor die Wahl gestellt: Exekution oder Rekrutierung. Bei der dritten Zellenvariante handelte es sich um die Todeszellen in einem der Exekutionszentren. Wie es dort aussah, wusste Roby nicht, und er wollte es auch nicht herausfinden.
    Als er erwachte, lag er in einer Zelle der Kategorie eins, und die Gesellschaft war nicht so schlimm, wie er es erwartet hatte: Sie bestand neben Chink und Slap nur noch aus zwei schnarchenden Stadtstreichern, die hier ihren Rausch ausschliefen. Es war dunkel, also war der Tag noch nicht angebrochen – normalerweise ging das Licht exakt um 5:30 Uhr morgens an.
    Roby orientierte sich schnell, dann richtete er sich ächzend auf. Durch die Gitter der Tür schimmerte etwas Licht. Eine normale Polizeistation.
    Er hatte böse Kopfschmerzen. Und er hatte blaue Flecken. Wie auch immer es zu ihrer Verhaftung gekommen war, offensichtlich war jemand sauer auf ihn gewesen – oder hatte sich aus Langeweile die Zeit mit ihm vertrieben.
    Roby wusste, was jetzt passieren würde. Chink würde für minderschweren Raub verurteilt werden, und die Bande war so pleite, dass sie ihn nicht würde auslösen können. Chink würde die Zelle der Kategorie zwei kennenlernen. Slap und er würden vom Richter vor die Wahl gestellt werden: Exekution oder Eintritt in die Streitkräfte. Sie lagen noch unterhalb der Altersgrenze. Roby besann sich. Ja, zwei Jahre älter, und er hätte die Wahl nicht mehr. Dann wäre die Todeszelle die einzig mögliche Konsequenz gewesen.
    Halb in Gedanken versunken, bemerkte er gar nicht, wie die Zellentür geöffnet wurde. Alle Insassen schreckten auf, auch Slaps Bewusstlosigkeit war schwach genug geworden, dass sein über Jahre antrainiertes Alarmsystem anschlug. Er fuhr aus dem Schlaf und zuckte instinktiv zurück, als einige vierschrötige Polizisten, bewaffnet mit elektrischen Schlagstöcken, die Zelle betraten. Roby ahnte, dass dies das Frühstück sein würde. Schläge wurden hier als angemessener Ersatz für Nahrung angesehen.
    Stattdessen riss ihn einer der Männer hoch und schleifte ihn kommentarlos hinaus. Roby wehrte sich nicht, das wäre Kraftverschwendung gewesen. Er ließ sich willenlos in ein schäbiges Zimmer führen, dessen Funktion er sofort erkannte: Es war das Anwaltszimmer. Die Tatsache, dass er hier war, verdankte er seinem Vorstrafenregister. Er bekam einen Anwalt zugewiesen, weil ihm die Exekution blühte.
    Anwälte, das wusste Roby, waren in Wirklichkeit nicht mehr und nicht weniger als bezahlte Anwerber der Streitkräfte. Wen auch immer man ihm schicken würde, derjenige hatte absolut kein Interesse an einem Freispruch oder einer Strafminderung.
    Er hatte eine Quote zu erfüllen und eine Prämie zu kassieren.
    Es dauerte keine fünf Minuten, dann trat ein untersetzter Mann in den Raum. Er trug ein breites Grinsen, eine wallende Frisur, die nur durch Haarspray in Form gehalten werden konnte, sowie eine schäbige Aktentasche. Aus dieser holte er zu Robys Erstaunen Papier und Bleistift hervor. Dieser Mann lebte offenbar im letzten Jahrhundert. Sie hatten ihm irgendeinen Provinzadvokaten geschickt, der den Besuch bei einer Mätresse nutzte, um sich ein paar schnelle Kredite dazuzuverdienen.
    Roby war schon vorher ohne Hoffnung gewesen, aber das versetzte ihm jetzt doch einen Schlag.
    Dieses Grinsen war penetrant.
    »Robert Juri Ashwell«, begann der Anwalt nach einem Blick auf eine Unterlage. »Mein Name ist Ol Joks und ich wurde Ihnen vom Bezirksgericht als Anwalt zugeteilt.«
    Er sah Roby forschend an. »Verfügen Sie über ausreichend Geldmittel, um sich selbst einen anderen

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