Tentakelwacht
zu zeigen, dass er über Vorwissen verfügte. Der Plan, nun eine Druckkapsel mit einem Controller an Bord in die Jupiteratmosphäre zu senken, in das Gebiet, in der sich der mysteriöse Energieschirm befand, war aber auch so atemberaubend genug, um seine volle Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Atemberaubend und komplett wahnsinnig, wie Slap fand.
Er hörte Sievers zu und nickte. Der Offizier redete und redete, und je mehr er das tat, desto selbstgefälliger wurden seine Worte. Dass alle unter Zeitdruck standen, schien ihn kaum zu stören. Bereits in sechs Wochen sollte der erste Versuch starten. Bis dahin würde Slap von morgens bis abends lernen, mit seinen neuen Fähigkeiten als Controller zu arbeiten – um die Kapsel und die sie begleitenden Robotsonden zu steuern, um Dinge wahrzunehmen ohne den Filter der Signale verarbeitenden Rechengehirne, um mögliche Wege eines Kontaktes oder zumindest einer Identifikation zu finden – eigentlich in erster Linie, um herauszufinden, ob das, was da war, feindlich oder freundlich gesinnt war, so es überhaupt über eine Gesinnung verfügte.
Es sprach für die panische Planlosigkeit der Flottenführung, dass man diesen verrückten Versuch wagen wollte. Slap nahm es ihnen nicht einmal übel. Selbst bei größtem Optimismus über die Verteidigungsanstrengungen der Sphäre gingen alle davon aus, dass der Krieg die zahlreichen Jupiterstationen binnen acht bis zehn Wochen erreichen würde. Das war eine sehr enge Zeitvorgabe. Sicher, die Station würde extrem gut verteidigt werden – aber letztlich war es ein Unterschied, ob man einer Tentakelflotte in einer engen Druckkapsel begegnete oder in einer mächtigen Raumstation.
Wie er es auch drehte und wendete, es war für Slap offensichtlich, dass er die Arschkarte gezogen hatte. Dies machte ihn für die kommenden Lektionen nicht unempfänglich – Slap lernte gerne und wusste, dass jede Information sich einmal als sehr nützlich erweisen konnte –, aber das endlose Geschwafel von Sievers ging ihm wirklich mächtig auf die Eier.
Der Offizier musste an Slaps leerem Blick erkannt haben, dass dieser ihm nicht richtig zuhörte. Er beendete seinen Vortrag abrupt und schreckte Slap damit auf.
»Wir beginnen jetzt«, meinte Sievers und wies auf eine komplexe Apparatur, die sich sein Schützling bisher nur von außen hatte ansehen dürfen. Sie bestand aus einem großen Sessel, rings um den allerlei schwer zu identifizierende Anlagen aufgebaut waren. Unverkennbar war aber, dass die große und schwere Haube, die über dem Sessel hing, auf Slaps Kopf gehörte. Allein der Anblick sorgte bei ihm für Klaustrophobie.
»Nehmen Sie Platz«, forderte Siever ihn auf. »Zeit, den Simulator kennenzulernen.«
Slap ergab sich in sein Schicksal. Als sich die Haube über ihn senkte und kühle Elektroden seinen Schädel einschlossen, fragte er sich, wie es sein würde, wenn er erst seine Implantate hatte. Darauf war er tatsächlich neugierig, wie er sich eingestehen musste.
»Ich beginne jetzt mit der ersten Sequenz. Einfach nur zuschauen und entspannen. Es ist nichts Aufregendes!«, klang etwas dumpf die Stimme des Ausbilders von außen.
Unvermittelt explodierten Farben und Muster in Slaps Schädel.
Er bekam sofort Kopfschmerzen.
20
Roby schmeckte etwas Metallisches in seinem Mund. Als er mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen war, musste er sich in die Zunge gebissen haben. Er rutschte etwas zur Seite und hob seine Augen über den Reifenstapel hinweg, um die Lage zu sondieren. Die Plünderer hatten eine gute Schussposition, und da die Regierung sie dankenswerterweise mit ordentlichen Schusswaffen und reichlich Munition ausgerüstet hatte, fühlten sie sich offensichtlich derzeit auch stark genug.
Andererseits klang das Gejohle voller gegenseitiger Bestärkungen und ausgesuchter Beleidigungen für die angerückten Soldaten auch schon etwas unsicher. Man sprach sich Mut zu, ein Zeichen für Angst. Roby hatte diese Spielchen lange genug selbst getrieben, sodass er jetzt gar nicht beeindruckt war. Das zentrale Problem war schlicht, dass diese Typen mit den Waffen, die sie in Händen hielten, tatsächlich umgehen konnten.
Es würde alles sehr hässlich enden.
Der Capitaine, der den Einsatz leitete – ein älterer Herr, reaktivierter Reservist, dessen Namen Roby dauernd vergaß –, hatte sich hinter dem gepanzerten Mannschaftswagen mit einem Megafon postiert. Dieses war bisher nicht zum Einsatz gekommen, denn kaum waren die
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