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Tentakelwacht

Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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ihm diese Kirchenleute wie ziemlich verrückte Spinner. Natürlich hatten sie nicht in allem unrecht – es war der Zauber von Fanatikern, dass es ihnen gelang, ihre Wahnvorstellungen mit dem Körnchen Wahrheit zu verbinden, der den Anschein von Glaubwürdigkeit verlieh, der Leichtgläubigen bereits genügte, um sich einfangen zu lassen. Natürlich waren während der Phase des Chaos nicht nur Warlords, Gangsterbosse und irre Tyrannen weggemetzelt worden. Es hatte jeden erwischt, der sich nicht sofort unterworfen hatte: die Bakunistische Kooperative, die halb Osteuropa »regierte«, die gigantische Esoteriker-Kommune um Los Angeles, die »Konfuzianische Republik« im Westen Chinas, die vielen buddhistischen Mönchstaaten im Himalaja. Wer nicht für die Diktatur war, war gegen sie, und wer gegen sie war, war ein Feind. Manche hatten sich noch lange gewehrt, andere waren nach den ersten Massakern zu dem Schluss gekommen, dass es sich nicht lohnte, für irgendwelche Überzeugungen zu sterben. Die weder das eine noch das andere tun wollten, verschwanden im Untergrund. Es gab immer mal wieder Anschläge und Graffiti und Flugblätter, aber im Großen und Ganzen hatte die Sphäre die Sache im Griff. Es herrschte seit über 100 Jahren Frieden.
    Roby gab zu, dass viele es eher als Friedhofsruhe bezeichnen würden.
    Die Story dieser komischen Kirche hörte sich nach einer weiteren Untergrundbewegung an, die angesichts der nahenden Invasion große Illusionen über die eigene Grandeur entwickelt hatte. Roby musste ihnen lassen, dass sie nicht ganz substanzlos waren, sonst hätte das mit der elektronischen Fußfessel so nicht geklappt. Deswegen hatte er sich auch die Liste mit den Verstecken, Depots und Bunkern aufgeschrieben. Es schien , als hätten die Verrückten sich eine gewisse Infrastruktur mit Zugang zu Hochtechnologie erarbeitet, und Roby fand, dass es, sobald die Tentakel da waren, nützlich sein dürfte, auf mehr als nur die Hilfsmittel der Streitkräfte zurückgreifen zu können. Es war immer gut, ein Trumpf in der Hinterhand zu haben. Wenn er dafür eine stundenlange, abgefahrene Präsentation anhören musste, dann war dies akzeptabel. Vielleicht würde es ihm einst den Arsch retten.
    Die Einladung, auch am kommenden Sonntag zu einer Veranstaltung der Kirche zu kommen, hatte er mit höflicher Unverbindlichkeit beantwortet. Ihm war aufgefallen, dass er da nicht der Einzige gewesen war. Die meisten Zuhörer hielten diese Kirchenleute für harmlose Spinner, hatten nicht einmal die Liste mitgenommen. Einige hatten zum Schluss gelacht. Der Reverend und seine Gehilfin hatten dies mit gleichmütiger Gelassenheit zur Kenntnis genommen. Offenbar hatten sie mit nichts anderem gerechnet.
    Das machte sie fast schon wieder sympathisch.
    Nach zwei Wochen hatte Roby dieses seltsame Ereignis schon fast wieder vergessen. Das war der Zeitpunkt, als bekannt wurde, dass die Vorhuteinheiten der Tentakelflotte auf die automatischen Kampfsatelliten jenseits der Oort’schen Wolke gestoßen waren. Die Sphäre hatte dort ihre erste Verteidigungslinie errichtet, bestehend aus Tausenden kleiner Automaten, versehen mit Laserkanonen oder einer Raketenbatterie und einem Wegwerf-Chemieantrieb, der, sobald ein Ziel identifiziert war, die Kämpfer in einem einzigen Beschleunigungsorgasmus auf den Weg brachte. Danach waren sie nur noch sehr bedingt manövrierbar. Roby wusste, dass es da draußen Controllerstationen gab, wo die Elite der Flotte die Massen an Satelliten mit Funkbefehlen in die richtige Stellung brachte und den zweiten Verteidigungsring vorbereitete, der aus größeren Automaten bestand, die direkt durch die Gehirne der Controller gesteuert wurden. Ob Slap sich dort bereits im Einsatz befand?
    Roby hatte versucht, Slap zu erreichen. Doch im offiziellen MilNet war er nicht verzeichnet gewesen, obgleich Roby seine IdentNummer kannte. Das lag entweder daran, dass Controller dem Zugriff durch normale Grunts wie ihm entzogen waren, oder daran, dass Slap Probleme hatte. Roby hoffte auf Ersteres.
    Er hinterließ eine, natürlich harmlos verklausulierte Nachricht in einem alten Board, das der Hackerszene zugerechnet wurde. Falls Slap sich wider Erwarten dort einloggen würde, konnte Roby eine Antwort erwarten. Er schaute alle paar Tage mal nach, aber es tat sich nichts.
    Der Krieg lenkte einen doch sehr ab. Die Vorhuteinheiten der Tentakelflotte waren kaum aufgehalten worden. Eine zentrale Funktion des ersten Verteidigungsschirmes war es, genaue

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