Tentakelwacht
schwierig, gleichzeitig aus allen Körperöffnungen Flüssigkeiten zu entlassen und eine Waffe zielgerichtet und effektiv zu führen. Darauf hatte man spekuliert.
»Zweite Salve!«, befahl Roby. Sicher war sicher. Drei Mörser sprachen, drei Granaten flogen, diesmal etwas versetzt, um ein größeres Gebiet abzudecken. Das Geschrei erstarb. Man war dort drüben bereits damit beschäftigt, sich die Seele aus dem Leib zu kotzen.
»Denkt dran: Wer von denen einen harten Magen hat und eine Waffe auf uns richtet, ist totes Fleisch. Ansonsten wird niemand angefasst, außer wir müssen jemanden in Seitenlage bringen. Geht der Scheiße und der Kotze aus dem Weg. Die Sanitäter werden hinter uns aufräumen.«
Ein Job, um den Roby die Männer und Frauen des SanCorps keinesfalls beneidete.
Zustimmendes Gemurmel ertönte im Helmfunk.
»Dann los!«
Roby machte es ihnen vor, sprang auf, rannte nach vorne, direkt auf die Barrikade zu. Er lief schnell, geduckt, halb erwartend, dass ihn jemand aufs Korn nehmen würde, doch es tat sich nichts. Stattdessen hörte er das Gewürge und Gejammer derjenigen, die damit befasst waren, ihr Innerstes nach außen zu kehren. Er setzte über die Barrikade, das Sturmgewehr im Anschlag, und betrachtete sich die Bescherung. Seine Männer folgten unmittelbar, angespannt, aufmerksam, aber nicht mehr ängstlich. Es fiel kein Schuss.
Hinter der Absperrung lagen gut zwanzig der Plünderer, alle mit schmerzverzerrtem Gesicht. Der Gestank wäre unerträglich gewesen, glücklicherweise arbeiteten die Filter der Militärhelme recht gut. Roby versuchte, nicht durch die sich ausbreitenden Lachen an Erbrochenem und Durchfall zu waten, in denen die hilflosen Helden lagen, würgend, keuchend. Er drehte einen der Liegenden, der bewusstlos geworden war, zur Seite, damit dieser nicht an seiner eigenen Kotze erstickte. Das war die größte Gefahr für die Leidenden, hier durften Robys Leute eingreifen.
»Es sind zu wenige«, murmelte jemand im Helmfunk. Roby musste dem Soldaten recht geben. Zwanzig Plünderer waren etwa die Hälfte dessen, mit dem sie gerechnet hatten. Robys Blick fiel auf die Front des Einkaufszentrums: der Haupteingang verrammelt, dahinter, durch die getönten Fensterscheiben nur schemenhaft zu erkennen, Bewegungen. Dort befanden sich die restlichen Ganoven und bei ihnen eine unbekannte Anzahl von Kunden, die leider zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren.
Der schwierige Teil ihrer Aktion stand erst bevor.
Wie alle Gebäude mit Publikumsverkehr, die in den letzten 30 Jahren gebaut worden waren – und das Einkaufszentrum fiel unter diese Kategorie –, besaß auch dieses ein automatisches Aufruhrunterdrückungssystem. Es bestand meist aus einer Gasanlage, die mit der Klimaventilation verbunden war und ein relativ harmloses Schlafgas in die Räumlichkeiten pumpte. Es hatte recht gut funktioniert, und die Tatsache, dass sich dort etwas bewegte, wies darauf hin, dass die Plünderer im Gebäude über Gasmasken oder zumindest effektive Nasenfilter verfügten. Das hieß auch, dass die Geiseln wahrscheinlich alle friedlich schlummern würden. Damit konnten sie der Aktion nicht durch spontanes Fehlverhalten in die Quere kommen, was eine gute Nachricht war. Hinsichtlich der Plünderer bedeutete es aber auch, dass man entweder ein stärkeres Reizgas einsetzen musste, das die Geiseln ebenfalls erheblich in Mitleidenschaft ziehen würde, oder eine andere Taktik benötigte.
»Wir rücken vor!«, befahl Roby. Es gab jetzt kein Zurück mehr, keine Verhandlungen, keine Scheingefechte. Die Würfel waren gefallen, und die Konsequenzen, die sich daraus ergaben, waren bereits eingepreist worden, als seine Vorgesetzten den Angriff befohlen hatten. Roby wollte sich so gerne bequem auf gegebene Befehle zurückziehen, die Verantwortung von sich schieben, aber er merkte, dass ihm dafür die Kaltblütigkeit fehlte.
Er machte sich einfach zu viele Gedanken. Noch.
Wenn der Zeitpunkt erreicht war, an dem dieses »noch« nicht mehr galt, würde er, sollte er das überhaupt merken, wirklich einige Entscheidungen treffen müssen.
21
Es halfen keine Medikamente.
Slap hatte nicht gewusst, dass es möglich war, sich so zu fühlen. Er wusste, dass das Gehirn an sich keine Schmerzrezeptoren hatte, aber trotzdem fühlte es sich … einfach wund an. Es gab kein anderes Wort, das ihm einfiel. Die Art der Ausbildung, das schnelle Vorgehen, die Dauer der Lektionen, das ständige, hohe Maß an
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