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Tentakelwacht

Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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Konzentration und die ungewohnten Bilder und Sequenzen, die über den NeuroLAN-Anschluss direkt in sein Bewusstsein projiziert wurden, all dies ergab eine Gemengelage, die ihn über die Maßen erschöpfte.
    Es tat … weh. Sein Ausbilder verstand es und nickte nur wissend. Der Arzt verstand es und zuckte mit den Schultern. Er hatte ein Schlafmittel bekommen, um trotz seiner völligen Überreizung Ruhe finden zu können, doch Slap hatte überhaupt kein Problem damit, einzuschlafen. Es störte ihn eher, dass seine Träume mehr und mehr den Bildern glichen, die er im Wachzustand ins Gehirn geleitet bekam, und so war er des Morgens nicht erholt, sondern kam sich vor, als hätte seine Ausbildung nie Pause gemacht.
    Slap fühlte sich sehr erschöpft. Doch es gab kein Nachlassen, keine Gnade. Der Zeitplan war mörderisch eng. Und trotz aller anscheinend oder gar tatsächlich vorhandenen Begabung, so wurde Slap sehr schnell bewusst, war er lediglich eine Ressource, die für einen begrenzten Zeitraum zu funktionieren hatte. Und wenn sie ausgebrannt war, würde man sie eben durch eine andere ersetzen. Auf Mitgefühl, ja auch nur den Anschein von Empathie, durfte er hier nicht hoffen. Er wurde gut behandelt, weil er ein gutes Instrument in den Händen seiner Vorgesetzten zu werden schien , etwas mit Potenzial. Aber mit ihm, Slap, als Person, hatte das nicht das Geringste zu tun.
    Nicht, dass diese Erkenntnis für ihn besonders ernüchternd gewesen wäre. Im Grunde hatte er vom Militär ja nichts anderes erwartet. Durch seinen Hack war er an die Unterlagen gekommen, die den Auswahlprozess dokumentiert hatten, dessen Ergebnis er war. »Das Objekt« hatte er dort geheißen, und das sagte wohl alles. Dennoch kam Slap nicht umhin sich einzugestehen, dass er sich einsam und verlassen fühlte. Auf der Erde, in der Gang, hatte er einige echte Freunde gehabt. Es waren auch schwere Zeiten gewesen – in manchen Dingen schwerer als jetzt, mit zu wenig Nahrung und schlechten Unterkünften. Aber man hatte das Leid irgendwie teilen können und sich gegenseitig gestärkt.
    Das Einzige, was ihn hier stärkte, waren die reichlichen Mahlzeiten.
    Dann, nach zwei Wochen, wurde er das erste Mal in die Kapsel gesteckt. Sie trug keinen Namen, obgleich sie so groß war wie ein kleines Raumschiff. Trotzdem bot sie nur Platz für ein einziges Besatzungsmitglied: ihn, Slap, und das in einer recht engen Kabine, vollgestopft mit hoffentlich überflüssigen Displays und Kontrollen; diese würden nur dann eine Funktion haben, wenn die NeuroLAN-Verbindung ausfallen würde. Die Kapsel war ein konisch geformter Körper aus einer massiven und teuren Speziallegierung, mit mehreren Schichten Außenhülle sowie einem Schutzfeldgenerator neuester Generation, alles nur, um dem massiven Druck der Jupiteratmosphäre standzuhalten – dem und den Stürmen, die dort mit sehr hoher Geschwindigkeit die gefährlichen Gase aufwirbelten. Die Kapsel verfügte über große Steuertriebwerke an allen Seiten, über einen schweren Gravitationsgenerator und über zwei getrennt operierende Fusionskraftwerke, um den massiven Energiebedarf zu decken. Es war, wie Slap neidlos anerkennen musste, ein beeindruckendes Stück Technik, gut zwanzig Meter im Durchmesser an seiner dicksten Stelle, und die Tatsache, dass er der Pilot dieses Vehikels sein durfte, erfüllte ihn nun erstmals mit so etwas wie freudiger Erwartung oder Anspannung.
    Er wurde in sein enges Cockpit geführt, das durch die großen Bildschirme die Illusion verbreitete, an der Nase der Kapsel zu sitzen. Tatsächlich hockte der Pilot ziemlich genau in der Mitte der massiven Konstruktion, an der hoffentlich sichersten Stelle. Der Sitz war genau auf Slaps Körpermaße abgestimmt und würde Gravitationsstöße zusätzlich abfedern. Der Pilot würde einen Druckanzug tragen, auch wenn dieser sein Leben nur um wenige Minuten verlängern würde, sollte die Kapsel auseinanderbrechen. Doch wenn es so weit kommen sollte, wäre ein gnädiger und schneller Tod ohnehin die bestmögliche Alternative.
    Die erste Einweisung dauerte gut zwei Stunden und danach schwirrte Slap der Kopf. Es war weniger, dass die Informationen so verwirrend und komplex gewesen waren, sondern mehr die Erkenntnis, dass der Zeitpunkt seines Abstiegs in die Atmosphäre des Gasgiganten unwiederbringlich immer näher rückte. Nicht einmal die Tentakel würden dies verhindern können: Die Kämpfe konzentrierten sich weiterhin auf das äußere Sonnensystem, in dem die

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