Teranesia
eine Betäubungspistole in den Bund ihrer Shorts gesteckt. »Was war in den Pfeilen?«, fragte Prabir nervös.
»Das normale Sedativum«, antwortete sie beinahe geistesabwesend, »aber ich habe etwas hinzugefügt, um den katalytischen Anteil aufzuheben. Das Molekül zersetzt sich von selbst, deshalb lässt es sich gefahrlos für viele verschiedene Spezies verwenden. Eine Hälfte bildet ein Enzym, das das Ganze bei Anwesenheit von ATP in harmloses Zeug umwandelt, damit kein großer Aufwand betrieben werden muss, um den Organismus wieder zu entgiften. Aber nachdem es in den Blutkreislauf gelangt ist, zersetzt es sich so schnell, dass es einen gewaltigen Unterschied macht, wenn man das Enzym neutralisiert: Die Wirkung wird plötzlich vertausendfacht.« Sie drehte sich zu ihm um und fügte ostentativ hinzu, als hätte sie endlich den Grund für seine Befürchtungen verstanden: »Aber wir haben Enzyme in der Leber, die damit zurechtkommen. Auf Menschen wirkt es nicht toxisch.«
Sie beendete die Inventur. »Ausgezeichnet. Du baust bitte diese Sachen ab und stapelst sie auf dem Deck. Ich werde die Schlauchboote holen. Ich müsste in etwa zehn Minuten zurück sein.«
»Anscheinend bin ich etwas schwer von Begriff«, sagte Prabir, »aber ich glaube, mir ist da etwas entgangen. Wohin gehen wir mit all dem Zeug? Wie sieht der Plan aus?«
Madhusree lächelte stolz und verschwörerisch, als könnte jeden Augenblick Amita hereinspazieren, um sie zu fragen, was sie miteinander zu flüstern hatten.
»Wir fahren nach Süden. Wohin sonst?«
*
Prabir erfüllte seinen Teil der Aufgaben, während Madhusree zum Expeditionsschiff zurückschwamm. Dann untersuchte er den zusammengesunkenen Wachmann. Er atmete noch, langsam und regelmäßig.
Prabir stand auf dem Deck und wartete auf Madhusrees Rückkehr. Wenn er einfach nur gemeinsam mit ihr unterwegs war, gefährdete er sie bereits zu einem gewissen Grad. Aber Grant hatte sich nicht infiziert, nachdem sie jede teranesische Spezies in der Hand gehabt hatte, die auch er berührt hatte – und nachdem sie sich geküsst hatten. Wenn ihn niemand auf dem Boden der Tatsachen festhielt, spielte seine Phantasie verrückt: Die einzigen Fakten waren die, dass man Spuren des Gens in seinem Blutkreislauf gefunden hatte und dass sich die Fischer in irgendeiner Form verändert hatten, über die niemand sprechen wollte.
Madhusree tauchte hinter dem Schiff auf; sie ruderte mit einem hellroten aufblasbaren Dinghi auf ihn zu und hatte ein zweites im Schlepptau, das mit Vorräten beladen war. Einen schrecklichen Augenblick lang fragte sich Prabir, ob sie beabsichtigte, sich allein mit menschlicher Muskelkraft in Sicherheit zu bringen, aber beide Dinghis verfügten über Außenbordmotoren, und sie versuchte nur, unnötigen Lärm zu vermeiden. Er blickte zum Lager hinüber; der letzte Wachwechsel hatte gegen zehn Uhr abends stattgefunden, und jetzt war es fast zwanzig vor drei. Im Mondlicht schien der rote Kunststoff zu fluoreszieren. Würden sie es schaffen, bis zur Dämmerung hinter dem Horizont zu verschwinden, oder blieb ihnen viel weniger Zeit?
Madhusree legte mit den Dinghis am Schiff an. »Reich mir die Sachen runter, aber einzeln.«
Prabir wuchtete das erste Gerät über die Bordkante. »Wozu soll das alles gut sein?« Im zweiten Dinghi befanden sich bereits ein halbes Dutzend identischer silberner Kisten sowie Flaschen mit Reagenzien und vier große Treibstoffkanister.
»Um dich zu überwachen, was sonst? Und dich notfalls zu behandeln.«
»Ist das wirklich dein Ernst?«
»Ich hoffe, es wird nicht nötig sein. Ich hoffe, dass es keine Schwierigkeiten gibt, bevor wir Darwin erreicht haben.«
»Darwin? Wenn die Australier auch nur den leisesten Verdacht haben, was ich mit mir herumschleppe, werden sie mich mitten in der Wüste in einen Stahlcontainer sperren, dort, wo sie auch ihren atomaren Abfall lagern.«
»Nein, sie werden dich sofort nach Kanada deportieren, in einem Militärjet mit biologischer Quarantäne-Einrichtung, und dir anschließend die Rechnung schicken. Ich kann mir aber mühelos schlimmere Möglichkeiten ausmalen, wenn wir uns in andere Richtungen bewegen.«
»Was, hoffst du, wird während der Überfahrt nicht geschehen?«, fragte Prabir.
»Wenn ich das wüsste, könnten wir auf einen Teil der Ausrüstung verzichten.« Sie stellte das letzte Gerät zwischen den anderen ab und prüfte die Stabilität der Ladung. Dann warf sie ihm eine Schwimmweste zu. Sie trug bereits
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