Terminal 3 - Folge 1: Sterben hat seine Zeit. Thriller (German Edition)
müde.
»Hallo …?« Ein Gähnen. Er hat bereits geschlafen.
»Ach, scheiße …« Ein Knacken, dann Stille. Er hat aufgelegt.
Ich weiß nicht, wie lange ich noch so dasitze, das Telefon in meiner Hand und die immer selben Gedanken in meinem Kopf.
Er hat bereits geschlafen. Ich bin ihm völlig egal.
Er hat bereits geschlafen. Eigentlich habe ich es immer gewusst.
Er hat bereits geschlafen.
Lennard Fanlay
Jennifer Cornelly wohnte bis zum 23. Februar 2007 zusammen mit ihrem Mann Eric in der Pine Street 68. Bis zu dem Tag, an dem sie verschwand.
Ich parke den schwarzen Mercedes vor einem dreistöckigen Mehrfamilienhaus. Der Putz blättert von der Fassade, hinterlässt kahle Stellen und ausgefranste Ränder. Im Zwielicht der Dämmerung erinnert es an die Haut eines Brandopfers.
Die Lampe über dem Eingang ist zersprungen. Ich suche die Klingelschilder im Displaylicht meines Telefons ab. Die meisten wurden mit der Hand beschriftet, viele Namen sind kaum zu entziffern. Cornelly . Das dritte Schild auf der linken Seite. Die Tür zum Treppenhaus ist unverschlossen. Ich gehe hinauf. Im dritten Stock angekommen, warte ich, bis sich mein Atem wieder beruhigt hat. Das Treppenhauslicht geht aus. Ich taste nach dem Schalter, gucke auf meine Uhr. Kurz vor neun. Vielleicht hätte ich vorher anrufen sollen. Ich klingele.
Der bullige Mann, der öffnet, ist unrasiert und trägt einen grauen Bademantel. Er sieht mich schweigend an. Seine Augen sind rot und wässrig.
»Mister Cornelly?«, frage ich.
Er nickt.
»Mein Name ist Lennard Fanlay. Ich bin Sicherheitschef im Terminal drei des Abraham Norton.«
Ich greife in mein Jackett, um den Ausweis herauszuholen, doch Mister Cornelly nickt nur. »Kommen Sie rein.«
Die Wohnung ist klein, aber nett eingerichtet, soweit ich das beurteilen kann. Wir gehen ins Wohnzimmer. Ein Fernseher flimmert stumm in der Ecke. Mister Cornelly zeigt auf einen Sessel und setzt sich auf die Couch. »Danke«, sage ich.
Auf dem Tisch steht eine braune Flasche ohne Etikett. »Wollen Sie auch einen?«, fragt er und schenkt sich ein Glas ein.
»Nein, danke.«
Er trinkt und glotzt zum Fernseher hinüber.
»Die Polizei war bereits bei Ihnen?«, frage ich.
Er nickt. »Zwei Mal. Sie haben alte Sachen von ihr mitgenommen. Pullover. Und Mützen.«
Er spricht langsam, schwerfällig. Wahrscheinlich liegt es am Whiskey.
»Wann haben Sie Ihre Frau zuletzt gesehen?«
»Am 23. Februar 2007. Das war ein Freitag«, sagt er, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden. »Sie hatte gerade diesen … diesen neuen Job bei der Anwaltskanzlei angenommen. Sie musste nach Sacramento zu einer Tagung. Sie war ganz aufgeregt. Ich habe sie noch zum Flughafen gebracht.«
»Zum Abraham Norton?«
Er nickt.
»Wann sollte sie zurück sein?«
»Am Sonntag. Ich habe versucht, sie anzurufen. Ihr Telefon war ausgeschaltet. Ich habe auch ihre Freundinnen angerufen und ihre Familie … Aber niemand hatte etwas von ihr gehört.«
Mein Mobiltelefon vibriert. Ich greife in die Tasche, schalte es aus. Mein Pager piept, ich ignoriere ihn.
»Zur Polizei sind Sie erst am 25. gegangen«, sage ich. »Warum haben Sie so lange gewartet?«
»Warum?«
»Ja.«
»Ich dachte, sie sei abgehauen. Mit irgendeinem Typen durchgebrannt.«
»Gab es denn Hinweise dafür?«
»Die gibt es immer«, sagt er und trinkt. »Wir hatten Probleme. Wir haben beide Fehler gemacht. Ich dachte, sie sei einfach abgehauen, hätte die Schnauze voll gehabt. So was passiert, jeden Tag. Die Polizei erzählte mir, dass sie am Sonntag in San Francisco gelandet sei. Sie war also nicht verschwunden.
Sie war nur nicht zurück nach Hause gekommen. Ich habe mir vorgestellt, dass sie … dass sie irgendwo noch mal von vorne begonnen hat. Es war leichter, daran zu glauben.«
Sein Gesicht zieht sich zusammen, verkrampft sich, das Whiskeyglas fällt zu Boden, er legt die Hände auf die Augen. Dann entspannen sich seine Züge auf einmal wieder. Er hebt das Glas auf und stellt es auf den Tisch. Als wäre nichts geschehen.
»Bitte gehen Sie jetzt«, sagt er leise.
Seine Augen sind geschlossen.
Sam Walter Jefferson
Im Schlafzimmer ein Doppelbett, ein Nachttisch, ein schmales Fenster, an der Wand Tapete mit Blümchenmuster. Sie knipst eine kleine Leselampe an, löscht das Deckenlicht. Sie kommt näher, dreht mir den Rücken zu. »Hilfst du mir mit dem Reißverschluss?«
Ich helfe ihr. Das Kleid raschelt zu Boden.
Sie dreht sich um, schaut zu mir hinauf. Sie hat nichts von
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