Terminal 3 - Folge 3: Tanz der Marionetten. Thriller (German Edition)
eine dicke Mexikanerin ihr Baby.
»Das mit den Scharfschützen«, sagt Nicole, »das ist natürlich Blödsinn. Aber nach dem, was passiert ist … Die Leute sind bereit, so einiges zu glauben.«
Ich nicke. »Verständlich.«
»Alle sind hierhergekommen, auch die Sanitäter und Ärzte. Und deshalb ist es hier sicherer.«
Sie sieht mich an. »Geht es dir besser, Tom?«
»Ja«, sage ich. »Ja, ich glaube schon.«
»Gut. Sehr gut.«
Sie wirkt erstaunlich ruhig. Anscheinend hat sie sich mit der Situation abgefunden.
Lennard Fanlay
Ich öffne meine Augen, blinzele. Die Schwärze bleibt. Ich bin blind. Ich drehe den Kopf zur Seite, etwas drückt gegen Nase und Wange.
Die Dunkelheit wird zu einem Grau. Ich blinzele weiter. Sandpapier klebt unter meinen Augenlidern. Es kommen weitere Farben dazu, bilden Umrisse. Der Boden auf dem ich liege ist anthrazitfarben. Ein platt getretenes Kaugummi klebt vor meiner Nase. Chipskrümel, ein gekräuseltes Haar. An der Wand steht etwas. Die Spinde. Der fensterlose Pausenraum.
Ich robbe zur Tür, ziehe mich am Knauf hoch und wanke auf die Toilette.
Das Licht brennt. Ich stütze mich aufs Waschbecken. Das Gesicht im Spiegel ist mir fremd. Doch ich sehe die roten Punkte. Ich zähle elf Stück, einen davon ertaste ich im Nacken.
Ich denke: Du hast es geschafft, Leo. Und etwas schießt in mir hinauf, ich übergebe mich ins Waschbecken. Keuchend warte ich auf den zweiten Schwall. Er bleibt aus.
Ich wanke zurück in den Pausenraum. Auf dem Weg fingere ich mein Telefon aus der Tasche. Vier Anrufe in Abwesenheit: drei von Rachel, einer von Marc. Die Uhr verrät mir, dass ich etwa zwanzig Minuten bewusstlos war. Ich setze mich auf die Bank. Mein Atem rasselt auf und ab. Mein Herz sitzt direkt unter meinem Kehlkopf. Ich greife nach unten, ertaste einige Krümel. Ich stecke das Telefon wieder ein, greife mit der anderen Hand nach unten. Ich beuge mich vor, suche hektisch den Boden ab. Der Koffer ist weg.
Ich denke: Jemand muss ihn geholt haben, während ich ohnmächtig war. Ich denke: Jetzt hast du es wirklich geschafft, Leo. Ich schlucke scharfe Galle.
Ich stehe auf, stolpere vorwärts, pralle gegen die Spinde, rutsche zu Boden. Ich sitze mit dem Rücken an den Metalltüren und denke: Nicht in Panik geraten, umso schneller breitet sich das Virus aus. Doch mein Herz pumpt so schnell es kann.
Im Schatten der Bank liegt etwas. Der Koffer. Ich muss ihn weggestoßen haben, als ich ohnmächtig wurde. Ich krabbele hinüber und öffne ihn. Der Spritzen-Stift ist noch da. Ich ziehe mein Jackett aus, rolle einen Ärmel hoch, suche nach einer geeigneten Stelle. Nicht ins Muskelgewebe, denke ich, nur nicht ins Muskelgewebe. Ich streiche über meine Armbeuge, öffne und schließe die Hand. Die Gefäße füllen sich. Ich nehme den Spritzen-Stift aus dem Koffer und stoße die Kanüle in meine Armbeuge. Nichts passiert. Ich drücke den Knopf am Kopfende und die blaue Flüssigkeit schießt in meinen Arm. Ich warte auf eine Reaktion, auf ein Gefühl der Erleichterung. Es bleibt aus.
Mein Telefon vibriert. Ich entziffere die Nummer.
»Hi«, sage ich ins Telefon. Meine Stimme ist leise und dünn.
»Leo?«, fragt Marisa.
»Ja?«
»Ich verstehe dich ganz schlecht.«
»Das liegt am Empfang«, sage ich.
»Wo bist du?«
»Wo soll ich schon sein?«
»Ich hab's gerade erst in den Nachrichten gesehen. Ich hab heute frei, Estrella ist bei meiner Schwester. Wo bist du, Leo?«, fragt sie wieder. »Ist alles in Ordnung?«, fragt sie.
»Mach dir keine Sorgen«, sage ich. »Wir sind in Sicherheit.«
»Was ist mit den anderen?«
»Sind alle hier«, sage ich, »Rachel, Marc, Brian …«
»Im Fernsehen erzählen sie was von einer Epidemie.«
»Du weißt doch wie die sind«, sage ich und versuche aufzustehen. »Schreit einer lauter als der andere.«
»Leo, was ist da los bei euch?«
»Das wissen wir selbst nicht so genau.« Vorsichtig gehe ich zur Tür. »Mache dir keine Sorgen.« Zurück in die Toilette. »Hier ist alles in Ordnung.«
»Auf allen Kanälen läuft nichts anderes«, sagt Marisa. »Die haben das ganze Terminal umstellt.«
»Ich weiß«, sage ich und zähle die Flecken im Spiegel. »Acht.« Den im Nacken finde ich nicht mehr.
»Was hast du gesagt?«, fragt Marisa.
Das rot ist blasser geworden. Es wirkt.
»Leo, bist du noch da?«
»Mach dir keine Sorgen«, sage ich. »Es kann nicht mehr lange dauern.«
»Okay.«
»Ich melde mich später bei dir, ja?«
»Okay …«
»Okay.«
Ich
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