Terminal 3 - Folge 3: Tanz der Marionetten. Thriller (German Edition)
eingesperrt, völlig alleingelassen. Ich habe keine Ahnung, wie sie reagieren werden. Und genau das macht mir eine Scheißangst.«
»Es wird nichts passieren«, sage ich. »Das verspreche ich dir.« Die Worte hören sich hohl an. Ich stecke die Glock ins Holster, ziehe mein Jackett an und gehe zur Tür. Die Pistole drückt gegen meine Rippen.
»Ich komm mit, Chef«, sagt Brian.
Ich bleibe stehen, drehe mich um. »Bist du dir sicher?«
»Klar, kein Problem«, sagt er. »Ist vielleicht wirklich ganz gut, wenn wir zu zweit sind. Falls irgendwas ist.« Er versucht ein Lächeln. »Außerdem hatte ich als Kind schon die Windpocken.« Es verrutscht nach zwei Sekunden.
Wir stehen im Fahrstuhl. Wir tragen Gummihandschuhe und weiße Mundschutze aus Papier. Das ist alles, was wir in der kurzen Zeit auftreiben konnten.
Brian steckt den Schlüssel in das Schloss unter den Etagenknöpfen. Sein glatt rasierter Schädel glänzt.
»Warte«, sage ich.
Er sieht mich an.
»Wenn wir oben sind, dann bleibst du im Fahrstuhl«, sage ich. Meine Stimme ist dumpf durch den Mundschutz. »Ich gehe alleine.«
»Aber –«
»Du wartest im Fahrstuhl. Wenn es Probleme gibt, müssen wir schnell weg sein. Alles klar?«
Er fragt mich nicht, wie ich das meine, wie das denn aussehen könnte: Probleme. Er nickt nur und sagt: »Du bist der Boss, Leo.« Ich hätte ihm auch keine Antwort geben können.
Brian dreht den Schlüssel herum, ein Rucken durchfährt die Kabine, und der Fahrstuhl gleitet nach oben. Brians Lippen bewegen sich hinter dem weißen Papier. Er redet leise mit sich selbst. Nein, er betet.
Ich wusste nicht einmal, dass er gläubig ist. Und für einen kurzen Moment denke ich, dass ich eigentlich überhaupt nichts weiß. Über den Ort, den ich als mein Zuhause ansehe und über die Menschen, die dadurch zu meiner Familie werden.
Der Fahrstuhl stoppt, die Türen öffnen sich.
Gang C 3 sieht aus wie immer. Die Fliesen glänzen, als ob nichts geschehen wäre. Doch es ist zu still. Keine Stimmen, keine Durchsagen, keine Schritte. Keine Geräusche. Die Stille ist absolut. Als wäre niemand mehr hier.
Ich nicke Brian zu und trete hinaus.
Der kleine Seiteneingang zu Mary's Café steht offen. Porzellan knirscht unter meinen Schuhsohlen. Splitter einer Kaffeetasse. Die Stühle sind leer, einige wurden umgeworfen. Durch die breiten Fenster sehe ich das Terminal, den Säulengang und den Kreis aus Blumen und Palmen, der Bookbinder's Bar umgibt. Auch dort ist niemand zu sehen. Und ich hoffe, dass es Bookbinder gut geht.
»Leo!«, ruft Brian von draußen.
»Was ist?«, rufe ich zurück.
Stille.
»Schon gut«, sagt er. »Ich dachte, ich hätte was gesehen.«
Auch er ist nervös. Es ist viel zu still.
Die Servietten stecken in einer kleinen Metallbox, die auf der Theke steht. Die vorderste guckt heraus. Strahlend weiß und einladend.
Ich hole den Klarsichtbeutel hervor. Mit den Fingerspitzen ziehe ich die Serviette heraus und stecke sie schnell in den Beutel. Ich drücke die Luft heraus und verschließe ihn. Mein Atem ist flach und schnell. Der Mundschutz klebt an meinen Lippen. Ich hole einen zweiten Beutel hervor, stecke den ersten mit der Öffnung nach unten hinein und verschließe auch den zweiten. Ein hilfloser Versuch, das Risiko zu verringern. Ich wiederhole ihn, bis das durchsichtige Paket zu groß ist, um in einen weiteren Beutel gesteckt zu werden. Angeblich sind die Beutel luftdicht. Ich muss wahnsinnig sein.
Ein leises Knirschen hinter der Theke. Ich erstarre.
»Wer ist da?«
Keine Antwort.
Ich schaue zum Seiteneingang. Die Tür steht immer noch offen. In zwei Sekunden könnte ich dort sein. Weitere drei und ich wäre beim Fahrstuhl.
Wieder das Knirschen.
Zeit zu gehen.
»Leo?« Ihre Stimme zittert.
Ich gehe um die Theke herum.
Mary hockt am anderen Ende auf dem Boden neben dem Espressoautomaten. Ihre Arme umklammern ihre Knie. »Leo«, sagt sie.
»Was machst du hier?«, frage ich.
Sie wippt vor und zurück. In ihrem Gesicht leuchten ein Dutzend grellroter Punkte. Wie kleine Bergketten. Die Täler dazwischen sind aschfahl.
»Mary!«
Sie reagiert nicht. Ich sehe mich um. Wir sind allein.
»Vor wem versteckst du dich?«, frage ich.
Sie zuckt mit den Schultern. Sie zittert. »Ich werde sterben«, sagt sie. »Wir alle werden sterben.«
»Nein«, sage ich. »Niemand wird sterben.«
»Ich weiß es«, sagt sie. Sie umklammert ihre Hände, als würden sie sonst davonfliegen. »Niemand kann uns helfen. Deshalb kommt
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