Terminal 3 - Folge 5: Die Methode Bronsky. Thriller (German Edition)
sind auch noch nicht so ausgeprägt wie heute. Das Foto macht auf mich einen offiziellen Eindruck. Wie aus einer Personalakte. Ich wage nicht zu fragen, woher Bronsky es hat. Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn er sich für eine Person interessiert.
»Mmm …«, brummt Sam Bronsky und wippt unermüdlich mit dem rechten Knie. Ich stehe neben dem gläsernen Tisch und warte, ohne auch nur eine Spur von Ungeduld zu zeigen.
»Du kannst gehen«, sagt er zu mir und streckt die Hand mit dem jetzt leeren Cognacschwenker aus. Dukakis greift nach einer sehr teuer aussehenden Flasche und beeilt sich seinem Chef nachzuschenken.
Ich verlasse lächelnd und äußerlich völlig ruhig den Raum. Ich bin mal wieder davongekommen. Ohne Blessuren an Körper und Geist. Das ist nicht der Normalfall.
Lennard Fanlay
Ich habe wieder diese verfluchte Spätschicht im Terminal. Mein Dienst beginnt erst um zwölf Uhr mittags. Da ich immer spätestens gegen halb sechs wach werde, stehen mir lange Stunden bevor, die ich mit den Fernsehnachrichten, zu viel ungesundem Kaffee und noch ungesünderem Grübeln verbringe. Mehr als einmal war ich versucht Beth anzurufen. Heute weiß ich, dass ich die Hauptschuld am chaotischen Ende unserer Beziehung habe. Sagen wir mal zu fünfundsiebzig Prozent. Ich habe ihren aktuellen Wohnsitz feststellen lassen. In meiner Position ist das eine Leichtigkeit. Beth wohnt in Sacramento, und ich würde zu gern wissen, mit wem sie Alltag und Bett teilt.
Während ich darüber nachdenke, ob ich mir ein Hobby suchen sollte oder Mary aus dem Café in meinem Terminal nicht doch mal zum Essen einlade, klingelt es an der Tür. Ich binde mir den Bademantel zu, meine Shorts sind entweder eingelaufen oder ich habe etwas zugelegt, und schaue nach, wer meint, mich so früh aus meiner Lethargie reißen zu müssen.
Es ist Mrs Cormac, meine Nachbarin. Ihr Mann ist vor zwei Jahren gestorben. Der gute, gemütliche George war zwar um einiges älter als seine Gattin, aber ich hege den Verdacht, dass sie ihn einfach zu Tode geschwafelt hat. Irgendwann ist er inmitten eines Wortschwalls vom Küchenstuhl gefallen. Der Notarzt stellte zwar Herzversagen fest, aber ich weiß es besser.
Normalerweise werfe ich vor dem Hinausgehen immer einen Blick nach draußen, um mich zu vergewissern, dass Mrs Cormac nicht in ihrem Vorgarten jätet und schnippelt oder dort einfach nur nach einem Opfer Ausschau hält, das sie mit einem Monolog über zu hohe Steuern, das Wetter oder Pflanzenschädlinge malträtieren kann.
Doch jetzt gibt es für mich kein Entrinnen. Frau Nachbarin steht vor meiner Tür, und ihr dunkelgrüner Hosenanzug war bereits vor mindestens dreißig Jahren aus der Mode. Sie scheint das Make-up mit dem Spachtel aufgetragen zu haben, und ihre Lippen glänzen blutrot. Zuerst befürchte ich, dass sie sich zu einer amourösen Offensive gegen ihren ledigen Nachbarn entschieden hat. Dass sie mir auch noch ihren Schlüsselbund entgegenstreckt, entschärft die Situation für mich keineswegs.
»Ach, Mr Fanlay«, seufzt sie, und ich überlege, ob es Zeit für einen Fluchtversuch ist.
»Was kann ich für Sie tun?«, frage ich vorsichtig, und peinlicherweise enthüllt ein plötzlicher Windstoß mehr als nur meine behaarten Oberschenkel.
»Ich sah Ihr altes Auto in der Einfahrt stehen, und da dachte ich mir, dass Sie zu Hause sind.« Sie deutet überflüssigerweise auf meinen durchaus noch ansehnlichen Mercedes. »Ich muss dringend zu meiner Schwester nach Salt Lake City fliegen. Wäre es zu viel verlangt, wenn Sie sich um meine Fische kümmern würden? Nur ein paar Tage.«
»Fische?« Ich halte meinen Bademantel fest. Der Wind frischt auf.
»Genau. Auf dem Wohnzimmertisch liegt ein Zettel, damit Sie wissen, in welches Aquarium welches Futter gehört. Ist ganz einfach. Nur einmal am Tag. Würden Sie das für mich tun?« Sie klimpert mit ihren angeklebten Wimpern.
»Nun, ich denke, das kriege ich schon hin.«
Mrs Cormac strahlt, springt mich an und schmatzt mir einen Kuss auf die Wange. »Sie sind ein Lieber. Ich bringe Ihnen auch etwas Schönes mit.«
Sie trippelt davon, dreht sich noch einmal um und winkt mir kokett zu. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass sie sich Fische hält.
Nun gut, das hätte schlimmer kommen können.
Schlimmer wird es, als ich Stunden später in den Überwachungsraum meines Terminals komme. Rachel hockt wie immer in einer Nikotinwolke vor den Überwachungsmonitoren und teilt mir nach einem kurzen, aber
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